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© Horst Hübel Würzburg 2005 - 2019

Stichwort

Mangel und Überschuss von Ladungen an den Polen einer Batterie

Zur aktuellen Diskussion über Oberflächenladungen bei stromdurchflossenen Leitern

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Vgl. auch Der stationäre Strom im geschlossenen Stromkreis und das Büchlein des Autors "Der einfache elektrische Stromkreis - altes Wissen und neue Erkenntnis".

1. Unbestritten ist, dass ein solcher Ladungsüberschuss bzw. Ladungsmangel an den Polklemmen einer unverbundenen Gleichspannungsquelle (Batterie) herrscht. Seine Größe ist bestimmt durch die Spannung der Batterie und die Kapazität zwischen den Polklemmen. Ebenfalls unbestritten ist, dass sich durch zusätzliche metallische Anschlüsse die Kapazität ändert, so dass der Ladungsüberschuss bzw. Mangel verstärkt wird. Hat diese Kapazität irgendeinen Einfluss auf den Stromfluss im geschlossenen Stromkreis, einen Einfluss, der rechtfertigen könnte, ihn im Schulunterricht zu thematisieren?


Ersatzschaltbild mit Oberflächenladungen
Das Kondensator-Modell
 
(1) Im geschlossenen Stromkreis liegt nämlich eine völlig andere Situation vor. Der Kondensator zwischen den Polklemmen (Kapazität C) und die Leitungskapazitäten C' spielen keine Rolle mehr für den Strom I. Wenn der Stromkreis geschlossen wird, kommt es zu schwer überschaubaren Ladungsverschiebungen mit der Ausbildung bestimmter elektrischer Felder in den Leitern (Einschaltvorgang). Sie passen schließlich zum stationären Strom, der sich nach kurzer Zeit einstellt. Erst dieser interessiert in der Schule. 
Es ist dann egal, ob wir uns vorstellen, dass auf die gedachten Kondensatoren in der Zeiteinheit gleich viele Ladungen zu- wie abfließen, oder dass gar keine Ladungen zu- und abfließen. Positive und negative Ladungen auf entgegengesetzten Kondensatorplatten "halten sich gegenseitig fest auf ihren Positionen". Von da ab haben sie keine Funktion mehr für den Stromfluss; sie nehmen insbesondere nicht am Stromfluss teil. Der Strom fließt jetzt im Inneren der Leiter "direkt" aus der Stromquelle durch die Polklemmen in den Stromkreis.

Aufgabe der Stromquelle ist es jetzt nur noch, im Stromkreis vorhandene Ladungen in Bewegung zu setzen und in Bewegung zu halten. Auch durch die Batterie fließt ein Strom gleicher Größe wie durch den Rest des Stromkreises, in der Regel transportiert durch andere Ladungen. Beim stationären Strom muss in jedes beliebige Volumenelement des Stromkreises gleich viel Ladung zu- wie abfließen. Das Gleichgewicht zwischen zufließenden und abfließenden Ladungen wird an jeder Stelle des Stromkreises durch die Kontinuitätsgleichung geregelt. Es wird also um Folgerungen aus ihr gehen.

Abb. 1: Ersatzschaltbild für Batterie mit dem gedachten Polklemmen-Kondensator, weiteren Leitungskapazitäten und einem Widerstand. Wäre der Strom anders, wenn diese Kapazitäten nicht vorhanden wären?

Sobald der stationäre Strom nach dem Einschaltvorgang erreicht ist, nehmen die Ladungen dieser Kondensatoren nicht mehr am Stromfluss teil.

Ihr elektrisches Feld, zusammen mit dem Magnetfeld, mit dem sich der Strom umgibt, vermittelt aber den Energietransport.
(2) Kontinuitätsgleichung und Ohm'sches Gesetz bilden eine Art Zwangsbedingung für die Entstehung von Bereichen mit Ladungsüberschuss und -Mangel in den Leitern (Raumladungen) längs des Stromkreises durch einen Strom. Aber auch die Mantelladungen auf der Oberfläche der Leiter können durch beide bedingt sein.

Raumladungen und Mantelladungen schaffen den Rahmen (vor allem modifizieren sie die jeweiligen elektrischen Felder) für den stationären Strom durch die Leiter. Sie nehmen aber selbst nicht am Stromtransport teil.

(3) Anderswo wird aber diskutiert, dass die von solchen Oberflächenladungen ausgehenden elektrischen Felder und das Magnetfeld als Folge des Stroms die wichtige Funktion haben, den Energietransport  zu stromdurchflossenen Widerständen zu vermitteln. Die Energie fließt dabei außerhalb der Leiter, aber vor allem in der Umgebung der Leiter. Die Oberflächenladungen können keine Energie liefern; diese stammt aus der Energiequelle / Stromquelle.

(4) Soviel zu der manchmal zu hörenden Ansicht, ein Strom sei der Versuch, Ladungsüberschuss an einem Pol und Ladungsmangel am anderen auszugleichen, auch zu der Ansicht, ein Strom sei ein Transport von gegenüber dem neutralen Leiter zusätzlichen Ladungen, eben Überschussladungen. Abb. 1 sagt uns, dass die mit den gedachten Kondensatoren zusammenhängenden Überschussladungen nicht am stationären Stromtransport teilnehmen, weil sie durch gleich viele entgegengesetzte auf der zweiten Kondensatorplatte "festgehalten" werden.

Ähnliches gilt auch für andere statische Ladungen, wie Raumladungen und Mantelladungen (Oberflächenladungen). Zudem geht von ihnen ein Potenzialfeld aus, das die notwendige Energiezufuhr zur Erzeugung von Stromwärme nicht erklären kann.

Es gibt ein Beispiel mit offensichtlich anderen Verhältnissen: Bei einer geschlossenen Induktionsschleife, die von einem sich ändernden Magnetfeld durchsetzt wird, gibt es Pole (und vermeintlich den Strom bewirkenden Überschussladungen) gar nicht. Dennoch fließt ein Strom und gibt es eine Spannung, weil die im Stromkreis vorhandenen und den Strom transportierenden Ladungen durch ein elektrisches Wirbelfeld angetrieben werden. Allgemein sollte es als Aufgabe einer Stromquelle gesehen werden, im Stromkreis bereits vorhandene Ladungsträger in Bewegung zu setzen, "anzutreiben" (evtl. gegen dissipative Kräfte). Der Versuch, einen Stromfluss durch gegenseitige Abstoßung von Ladungsanhäufungen und Anziehung von anderen zu erklären, kann höchstens in Spezialfällen gelingen.

Die Vorstellung von einem Ladungsüberschuss bzw. -mangel könnte für Schüler den Vorteil haben, dass sie die Bewegungsrichtung der jeweiligen Ladungsträger erkennen. Die Stromrichtung selbst ist eine reine Definitionsfrage. Die Vorstellung wird sicher falsch, wenn sich die Schüler dazu denken, dass sich die Ladungsträger von einem Bereich mit Ladungsüberschuss durch coulombartige Kräfte gegenseitig abstoßen ("Elektronendruck" oder "elektrischer Druck") und von einem Bereich mit Ladungsmangel durch ebensolche Kräfte - vielleicht sogar zusätzlich (!) - angesaugt werden. Vielmehr erfolgt der "Antrieb" in allen Fällen "von außen", also durch das sich ändernde magnetische Feld (bei der Induktion) oder - im Fall der Batterie - durch chemische "Kräfte" in ihrem Inneren, die bei Stromfluss im Stromkreis vorhandene Ladungen in Bewegung setzen. Dieses Phänomen ist begleitet von geeigneten elektrischen Feldern längs des Stromkreises und magnetischen Feldern um die stromdurchflossenen Leiter. Diese vermitteln den Energietransport.

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2. Nun zur Untersuchung von "Ladungsanhäufungen" in den Leitern des Stromkreises:

Wir betrachten dünne und scharf begrenzte Leiter, in deren Innerem das elektrische Feld stets parallel zur Leitermantelfläche orientiert und über einen Querschnitt hinweg von konstantem Betrag ist. Das elektrische Feld folgt also der Leitergeometrie. Ein Leiter bestehe aus zwei hintereinander geschalteten Zonen mit den unterschiedlichen Leitfähigkeiten σ1 und σ2, aber gleicher Querschnittsfläche A, die an ihren Stirnseiten (Querschnitt) zusammenstoßen. Innerhalb jedes der beiden Abschnitte für sich ist wegen rot E = 0 die Feldstärke E überall gleich, unabhängig von den Leitfähigkeiten. Die Feldstärke in den beiden Abschnitten seien E1 und E2. Weil die Stromstärke I in beiden Abschnitten die gleiche ist, gilt mit dem Betrag der Stromdichte j wegen I = j·A = σ·E·A:

σ1·E1·A = σ2·E2·A  

σ1· E1 = σ2· E2 

Wenn sich die Leitfähigkeit in einem Leiter überall gleicher Querschnittsfläche A ändert, ändert sich die elektrische Feldstärke und es gilt

     E1/E2 = σ21   ,

d.h. die Feldstärken in den beiden Zonen verhalten sich umgekehrt wie die Leitfähigkeiten. Würden sich auch die Querschnittsflächen ändern erhielten wir   E1/E2 = 2·A2)/(σ1·A1) .

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3. Die Anpassung des Betrags der Feldstärken erfolgt durch Raumladungen in den Übergangszonen.

Dabei ist es klar, dass diese Raumladungen nicht Ursache für die jeweiligen elektrischen Felder und schon gar nicht Ursache des Stroms sind. Man sieht das daran, dass die Richtung des elektrischen Feldes mit der Stromrichtung immer übereinstimmt, die also im Falle einer Batterie außerhalb von ihr tendenziell vom Pluspol zum Minuspol zeigt (in ihrem Inneren also tendenziell von Minus nach Plus). Verfolgt man die Stromrichtung, stößt man in manchen Fällen erst auf eine positive und dann auf eine negative Raumladung. Das ist dann der Fall, wenn zwischen beiden Stellen die elektrische Feldstärke erhöht werden soll, z.B. wegen erniedrigter Leitfähigkeit zwischen beiden Stellen. Man könnte jedoch auch erst auf eine negative und dann auf eine positive Raumladung stoßen, wenn zwischen beiden Stellen die Feldstärke erniedrigt werden soll, z.B. wegen erhöhter Leitfähigkeit zwischen beiden Stellen. In letzterem Fall wird die Feldrichtung nicht etwa umgekehrt, sondern ebenfalls an die durch Spannung, Widerstand und Stromdichte festgelegte Größe angepasst. Man könnte allenfalls sagen, dass durch die Raumladungen Zusatzfelder "erzeugt" werden, die die von der Spannungsquelle ausgehenden Felder überlagern und größenmäßig anpassen, also erhöhen oder erniedrigen.

Raumladungen im Stromkreis sind nicht die Ursache für die elektrischen Felder, die den Strom begleiten, sondern passen nur deren Größe (und evtl. Richtung) an.             

Im Folgenden soll ein Fall studiert werden, wo auch in einem geschlossenen Stromkreis Stellen mit Ladungsüberschuss und -mangel entstehen, nämlich dort, wo sich die Leitfähigkeit σ des Leitermaterials ändert. In zwei Modellrechnungen soll die Auswirkung auf die Ladungdichte untersucht werden, wenn in einem bestimmten Leiterabschnitt der Länge 2·a die Leitfähigkeit allmählich auf 0 herunter gedreht wird. Der Querschnitt des Leiters A soll überall konstant sein. Die Leitfähigkeit σ ist der Kehrwert des spezifischen Widerstands ρ. Es gilt also σ = 1/ρ . Der spezifische Widerstand wird in diesem Text nicht verwendet. Dagegen ist hier von der Ladungsdichte ρ die Rede mit der Einheit A·s/m3 .

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4. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Kontinuitätsgleichung für einen Strom

Sie regelt das Gleichgewicht zwischen zu- und abfließenden Ladungen über die Stromdichte j. Mit dem Ohm'schen Gesetz für die Stromdichte j = σ·E folgt, da diese im unverzweigten Stromkreis unveränderlich ist:

div j = div (σ·E) = E·grad σ + σ · div E = 0

Wir erhalten also div E = - ( grad σ  · E ) . Das ist aber nach dem Gauß'schen Gesetz bis auf den Faktor 1/ε0 (mit der elektrischen Feldkonstanten ε0) gerade die gesuchte Ladungsdichte:

        ρ = - (grad σ  · E) · ε0        .

Im homogenen Feld des Leiterinneren in x-Richtung (bei entsprechender Leitergeometrie) mit E = E ex gilt dann

ρ = - (σ/x · E)· ε0.

Eine von 0 verschiedene Ladungsdichte gibt es im Leiter also nur an solchen Stellen, wo sich die Leitfähigkeit in x-Richtung ändert, falls  E  0. Den Faktor s = - σ/x · 1/σ nenne ich zum Gebrauch in diesem Text "Leitfähigkeitsprofil".

Im stromdurchflossenen Stromkreis gibt es (im Inneren der Leiter) nirgends "gestaute" Ladungen oder Ladungsanhäufungen außer an den Stellen, an denen sich die Leitfähigkeit ändert oder - wie wir später sehen werden - die Querschnittsfläche.

Ein geschlossener Stromkreis bestehe aus einer Batterie und einem Lämpchen. Würde die Verbindungsleitung von Lämpchen und Pluspol einen Überschuss an positiven Ladungen aufweisen (auf den gedachten Kondensatoren, z.B. durch Oberflächenladungen) und die Verbindungsleitung von Lämpchen und Minuspol einen Mangel an positiven Ladungen - Entsprechendes gilt für negative Ladungen -, nähmen diese Ladungen nicht am Stromfluss teil.

Beim Übergang zwischen Zonen unterschiedlicher Leitfähigkeit ändert sich bei unveränderter Stromdichte j = σ · E die elektrische Feldstärke E im Inneren des Leiters (nur im Gleichgewichtszustand der Elektrostatik ist das Innere von Leitern feldfrei!). Beim Übergang von hoher zu niedriger Leitfähigkeit muss die Feldstärke wachsen. Die Anpassung der Feldstärken geschieht durch Raumladungen. Man erwartet, dass bei großem Unterschied der Feldstärken auch eine dem Betrag nach große Ladungsmenge erzeugt werden muss. Das Vorzeichen von σ/x entscheidet über das Vorzeichen der Raumladung.

Details der Ladungsdichte-Verteilung hängen stark von der Art des Übergangs zwischen Bereichen unterschiedlicher Leitfähigkeit ab. In der Regel kann man von einer Übergangszone von wenigen Atomlagen ausgehen. In vergleichbarer Breite in x-Richtung entsteht dort eine Ladungsdichte-Zone mit positiven bzw. negativen Raumladungen. Lässt man die Breite der Übergangszone gegen 0 gehen, entsteht eine Flächenladungsdichte in einer Ebene senkrecht zum Leiterquerschnitt ("Stirnladung"). Wegen der Division durch σ, was auf der einen Flanke von ρ klein, aber der anderen groß ist, kann man keine symmetrische Form der Ladungsdichteverteilug ρ bzgl. der Mitte der Leitfähigkeitsflanke (in der Zeichnung bei +/-4 willkürlichen Einheiten) erwarten.

Aber, wenn man in eine Übergangszone von atomarer Breite übergeht, wird die Annahme von einer sich stetig verändernden Leitfähigkeit problematisch.

Wir betrachten jetzt einen Widerstand mit einem Übergang von einem Bereich großer Leitfähigkeit σ zu einem Bereich geringer Leitfähigkeit σ0. Es gelte σ0 = σ/k . (k =  σ/σ0).

5. Rolle der Mantelladungen

Das Ohm'sche Gesetz wirkt zusammen mit der Kontinuitätsgleichung wie eine Zwangsbedingung für die elektrische Feldstärke E bei einer vorgegebenen Stromdichte j. Sie hatte schon festgelegt, dass im Leiter höchstens an den Übergangsstellen verschiedener Leitfähigkeit Raumladungen entstehen können, und dass j und E immer gleichgerichtet parallel sind. Sie bestimmen in manchen Fällen auch die Mantelladungen auf dem Mantel des Leiters. Evtl. zusammen mit äußeren Ladungen (z.B. auf den Batteriepolen) ergibt sich daraus das elektrische Feld im Außenraum des Leiters. Eine bestimmte Stromdichte j im Leiter bestimmt also das elektrische Feld im Leiter und Raumladungen im Leiter, aber auch Mantelladungen, die mit der konstanten elektrischen Feldstärke im Leiter kompatibel sind. Das ergibt sich aus der Gleichung      ρ = - (grad σ  · E) · ε0    .  Bisher kam es uns auf die Feldstärkekomponente im Leiter an. Deshalb haben wir nur einen Leitfähigkeitsgradienten in x-Richtung betrachtet. Außerhalb des Leiters, auf dem Mantel, gibt es aber auch eine radiale Komponente der Feldstärke (senkrecht zum Leiter). Sie liefert einen Zusatzbeitrag zur Ladungsdichte, ρM, auf dem Mantel, also ρM = - (σ/r · Er)· ε0(r).

Eine relativ allgemeine Aussage können wir ohne detaillierte Rechnung machen. Wenn sich aus ρM eine Flächenladungsdichte/Verschiebungsdichte D auf dem Mantel ergibt, folgt mittels des Gauß'schen Satzes D = ε0 · Er und damit
Er = D/ε0 . Die Flächenladungsdichte nennen wir im Folgenden ρMF . Ganz ähnlich hätte man für die elektrische Feldstärke im Leiterinneren argumentieren können, wenn man die Breite der Raumladungszone gegen 0 streben lässt.

Wir stellen uns vor, dass σ(r) = σ(x) im Leiterinneren wie oben, unabhängig von r, ist, dass σ(r) innerhalb einer Übergangszone der Breite Δ linear auf 0 abfällt und dann 0 bleibt. In bestimmten Fällen verhält sich ρM genauso wie σ(x), was sehr plausibel ist. ρM ist dann nahe der Raumladungszonen konzentriert.

Also σ(r) = σ(x)· (1-u)   für R < r < R + Δ wobei u = (r - R)/Δ. In der Mitte des Übergangsbereichs wird σ(r = R + Δ/2) = <σ(r)> = σ(x)/2. Dann ist in der Übergangszone σ/r = - σ(x)/Δ und wir erhalten für σ/r / <σ(r)> :  - 2/Δ, also ρM = 2/Δ· Er· ε0. Eine Flächenladungsdichte ρMF = ρM ·Δ/2 macht auch noch einen Sinn, wenn die Breite der radialen Übergangszone Δ => 0 geht. Wir erhalten wie oben ρMF = Er·ε0 . Die Flächenladungsdichte ρMF auf dem Mantel des Leiters ist ein Abbild der Radialkomponente Er der elektrischen Feldstärke außerhalb des Leiters. Wie gesagt: ρMF ist bestimmt durch Kontinuitätsgleichung und Ohm'sches Gesetz, und zwar so, dass E im Leiterinneren der Leitergeometrie folgt, und Er ist durch ρMF  und andere Ladungen in der Umgebung des Stromkreises bestimmt.

(Mit Hilfe einer Theta-Funktion Θ(r) für die Leitfähigkeit σ(r) und der δ(r)-Funktion als deren Ableitung hätte man das gleiche Ergebnis schneller erhalten.)

ρFM hängt über die Kontinuitätsgleichung und das Ohm'sche Gesetz vom Leiterinneren ab. E wiederum von ρFM andererseits von sonstigen Quellen des elektrischen Felds. Deshalb gibt es wenig allgemeine Aussagen. Zwei Extrema: R. Müller untersucht (qualitativ) die Rolle von Batterieladungen beim homogenen Leiterkreis mit einheitlichem Widerstand pro Längeneinheit.  Andererseits wird in diesem Text nur ein stromdurchflossener Widerstand ohne weitere äußere Ladungen beschrieben. Letzteres würde eher zur inhomogenen Induktionsschleife (mit unterschiedlichen Widerständen) ohne weitere Energiequelle passen.

Während des kurzzeitigen Einschaltvorgangs verschiebt die sich ausbildende Stromdichte j Ladungen so in den Raumladungsbereich und an den Mantel, dass Kontinuitätsgleichung und Ohm'sches Gesetz erfüllt werden. Durch Raumladungen und Mantelladungen ist dann im Leiter ein elektrisches Feld E gesichert, das der Leitergeometrie folgt und unter idealen Bedingungen im Leiterinneren konstant ist.

R. Müller berichtet von einem Zusammenhang zwischen  ρMF(x)  und dem Winkel α zwischen Ex und Er am Mantel, der sehr nützlich ist für qualitative Überlegungen. Da tan(α) = Er/Ex erhält man also ρMF(x)= ε0 Ex·tan(α). Müller weist darauf hin, dass man in Zeichnungen des Stromkreises mit qualitativ eingetragenen E-Feldlinien bzw. Äquipotenziallinien mit dem abgelesenen Knickwinkel α eine Vorstellung von den sich ausbildenden Mantelladungen gewinnen kann, auch, wenn das Feld außerhalb des Leiters durch externe Ladungen (z.B. in der Energiequelle) mitbestimmt ist. Ohne externe Ladungen (z.B. in einer Induktionsschleife) folgt dagegen analog, dass von einem Ende eines Widerstands Feldlinien ausgehen, die am anderen Ende des Widerstands wieder einmünden.

Nach Beendigung des Einschaltvorgangs brauchen wir uns nicht weiter darum kümmern, wie j = σ · E für einen stationären Strom erreicht wird.  Im Folgenden betrachten wir wieder ausschließlich das Leiterinnere.


6. Es sind zwei Fragestellungen denkbar:

a) Bei einer bestimmten Stromdichte mit dem Betrag  j = I/A = σ·E wird die Ortsabhängigkeit der elektrischen Feldstärke bzw. von σ in Rechnung gesetzt. Da j überall konstant, folgt E = j/σ = I/(A·σ). Die Ladungsdichte ρ wird dann

ρ = - (σ/x)·1/σ · E· ε0 = - (σ/x)·1/σ ·I/(A·σ) · ε0  = - (σ/x)·1/σ2·I/A · ε0           (ρ und σ sind ortsabhängig)

Für die Gesamtladung in einem solchen Raumladungsbereich erhalten wir durch Integration, wenn a und b zwei geeignete Koordinaten im guten bzw. im schlechten Leiter sind

              b         
      Q = ∫ ρ(x) dx 
· A
             a         

Q = - ∫  (σ/x)·1/σ2 dx   · I/A · ε · A   mit den gleichen Grenzen,      oder

             σ0
   Q = - ∫  1/σ2 dσ   · I  · ε0
            σ

                   σ0     
    Q = 1/σ ⎮  · I  · ε0
                  σ

Q = ( σ- σ0 )/ · σ0 ) · I  · ε0     oder mit dem "Leitfähigkeitssprung" k =  σ/σ0

Q = (k - 1) · I/σ  · ε0 .

Bei Verwendung von Kupferleitungen zum Widerstand mit dem spezifischen Widerstand 1/σ = 1,56·10-8  V·m/A und k = 42 (Größenordnung bei Cr-Ni-Widerstandsdraht) und I = 10A erhalten wir

Q = 41 ·10 A·1,56·10-8  V·m/A  · 8,85·10-12 As/Vm  ≈ 566·10-19 As ≈ 350·e

Diese Ladungsmenge ist überraschend gering: die gesamte negative Raumladungswolke enthält in der Übergangszone zum Widerstand nur ca. 350 Elektronen. Sie wächst, unabhängig vom Leiterquerschnitt A, bei größerer Stromstärke I und größerem Leitfähigkeitssprung k.  Bei anderen Parameteränderung kann sie auch kleiner gemacht werden. Hier - im Bereich atomarer Maßstäbe - versagt wohl das Modell der stetigen Leitfähigkeitsänderung in der Übergangszone.


b) Bei fester Batteriespannung U soll der Widerstand vergrößert werden. Der Widerstand soll ein langer Draht der Länge 𝓁  und der Querschnittsfläche A sein. Nur für die Stromberechnung bei der gegebenen Spannung U soll der Widerstand im Stromkreis allein durch σ0 im Inneren des schlechten Leiters bestimmt sein, d.h. die Spannung U soll ganz am Widerstand abfallen. Der Widerstand der Stromzuführungen soll also vernachlässigbar sein; also auch ein Spannungsabfall in den Stromzuführungen, was eine umso bessere Näherung ist, je geringer die Leitfähigkeit σ0 im Inneren des schlechten Leiters.

Es gilt dann I = U/R = U·A·σ0 /𝓁 mit den Widerstandsdimensionen A und 𝓁, also R = 𝓁/(A·σ0). Die Stromstärke ist überall im unverzweigten Stromkreis konstant; entsprechend auch der Betrag der Stromdichte j = I/A = U·σ0 /𝓁  bei konstanter Querschnittsfläche A. Unter diesen Voraussetzungen gilt nur für den Bereich des Widerstands E = U/𝓁 und j = σ0·E = σ·E , letzteres für den Teil des Stromkreises außerhalb des Widerstands. Tatsächlich ist E = 0 /σ) ·E. Wenn im Widerstand die Leitfähigkeit σkleiner ist als σ, ist die elektrische Feldstärke E im Widerstand größer als in den Stromzuführungen (σ).

Den Faktor f = σ0/σ = Ex/E nenne ich für diesen Text "Feldfaktor". Der Feldfaktor gibt an, wie sich das elektrische Feld innerhalb der Übergangszone des Widerstand ( Ex ) gegenüber dem globalen Wert im Widerstand (E) verändert.

In Bereichen, in denen er 1 ist, ist die Anpassung der elektrischen Feldstärke an den globalen Wert im Widerstand vollzogen. Dann ist die Feldstärke näherungsweise gleich der Feldstärke U/𝓁 (bei einer Länge 𝓁 des Widerstands und der Spannung U am Widerstand). In Bereichen mit kleinerem Feldfaktor ist auch die elektrische Feldstärke kleiner als U/𝓁, wie etwa in den Stromzuführungen und in den Übergangszonen. Wird bei einer festen Batteriespannung U die Leitfähigkeit des Widerstands reduziert, entstehen zwischen den Übergangsstellen Zonen vergrößerter Feldstärke. An ihrem Rand entstehen Raumladungen, die die elektrische Feldstärke auf die im Widerstand herrschende anpassen. Der Feldfaktor nähert sich jenseits der Stelle, wo σ0 /σ = 1/2 ist, seinem Maximalwert 1. Je kleiner bei einem kontinuierlichen Leitfähigkeitsübergang σ0 , desto tiefer liegt diese Stelle im Bereich geringer Leitfähigkeit. Wenn der Feldfaktor 1 geworden ist, ist die Anpassung der Feldstärken innerhalb und außerhalb des Widerstands vollzogen. Wegen der indirekten Proportionalität zu σ verläuft Ex grundsätzlich anders als σ. Dementsprechend liegt der Ladungsschwerpunkt der Raumladung (modellbedingt) etwas (in der Regel um Bruchteile von wenigen Atomlagen) in den Bereich geringer Leitfähigkeit verschoben, umso weiter, je kleiner σ werden kann. Für die Ladungsdichte ρ erhalten wir dann:

ρ = - (σ/x) 1/σ2·I/A · ε0 = - (σ/x) 1/σ2·U·σ0 /𝓁  · ε0 , also

      ρ = - σ/x 1/σ2·σ0 ·U/𝓁· ε0     

und damit:

      ρ = s·f·U/𝓁·ε0    (*)

mit dem Leitfähigkeitsprofil  s = - σ/x · 1/σ und dem Feldfaktor  f = σ0/σ = E/Ex .

Aus ρ = - (σ/x)·1/σ2·I/A · ε0   wird dann ρ = s·f· I/( σ0·A) · ε0 (**).

Der Verlauf der Ladungsdichte ρ ist durch das Produkt von Leitfähigkeitsprofil s = σ/x 1/σ und Feldfaktor f = σ0 bestimmt. Dieses Produkt als Maß für ρ (blau) wird in den folgenden Graphiken dargestellt. Durch das quadratische Auftreten der Leitfähigkeit im Nenner werden Zonen mit kleinem σ bevorzugt. Wiederum: Dort, wo sich die Leitfähigkeit nicht ändert, verschwindet (bei konstantem Querschnitt) das Leitfähigkeitsprofil s und damit die Ladungsdichte ρ.

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7. Es werden zwei verschiedene Leitfähigkeitsmodelle für Gleichung (*) untersucht. Die Rechnungen wurden in weiten Teilen analytisch durchgeführt und durch numerische Rechnung mit einer Tabellenkalkulation überprüft.

In den Zeichnungen wurden meistens willkürliche Einheiten verwendet. Während die Übergangszone eine Breite von wenigen Atomlagen hat, ist der Abstand der zwei Übergangszonen sehr viel breiter als in der Zeichnung. Da es nur auf die Verhältnisse der Ladungsdichten ankommt, soll σ∞  (weit außerhalb des Widerstands) in allen Fällen 1 sein. σ0 ist die Leitfähigkeit im Widerstand.

Abb. 2:

Ergebnis der Rechnungen für Leitfähigkeitsmodell (2) mit kontinuierlicher Änderung der Leitfähigkeit). Der schlechte Leiter (Widerstand) beginnt bei x = -4 und endet bei x = 4.

Gezeichnet ist die 5-fache Leitfähigkeit σ (rot) und die Ladungsdichte ρ (blau).

1/k = σ0= 0,9: σ verändert sich bei +/- 4 von σ= 1 auf σ0 = 0,9 und umgekehrt. Der geringen Leitfähigkeitsänderung entspricht eine geringe Raumladung.

Man könnte sagen, dass hier die Raumladungen ein Zusatzfeld "erzeugen", das das vorhandene Feld zwischen ihnen verstärkt.

Außerhalb des Bereichs, in dem sich die Leitfähigkeit (bei unveränderter Querschnittsfläche) ändert, gibt es keine Raumladungen.

(Beachten Sie die Maßstabsänderungen auf der horizontalen Ortsachse; stets willkürliche Einheiten.)

Abb. 3: Leitfähigkeitsmodell (2); σ = 1; σ0 = 0,5


Geringere Leitfähigkeit   (rot) gehört zu größerem elektrischen Widerstand und größerer elektrischer Feldstärke.

Abb. 4: Leitfähigkeitsmodell (2); σ0 = 0,1.

Mit abnehmender Leitfähigkeit σ0 wächst der Betrag der Raumladungen. Beide Raumladungen haben gleichen Betrag, aber unterschiedliches Vorzeichen.

Das dazwischenliegende elektrische Feld muss noch mehr verstärkt werden.

Abb. 5: Leitfähigkeitsmodell (2); σ = 1; σ0 = 0,01.

Die Raumladungen verändern sich jetzt nur noch wenig. Sie wandern aber in das Innere des Widerstands hinein (wenn auch nur um Bruchteile von wenigen Atomlagen).

(Dieses Leitfähigkeitsverhältnis entspricht etwa dem Verhältnis von Cu-Leitungen und üblichen Widerstandsdrähten.

Beachten Sie wieder die Maßstabsänderungen auf der horizontalen Ortsachse.)

Abb. 6: Leitfähigkeitsmodell (2); σ = 1; σ0 = 0,0001

Beachten Sie - wie in allen diesen Zeichnungen - die Maßstabsänderung auf der x-Achse: Der Abstand der Übergangszonen ist sehr viel größer als deren Breite!

Abb. 7: Noch einmal Leitfähigkeitsmodell (2); σ = 1; σ0 = 0,00000001

Die magentafarbene Kurve stellt das 5-fache Leitfähigkeitsprofil s = σ/x / σ dar. Durch σ im Nenner werden Anteile für sehr kleines σ stark betont. Die grüne Kurve ist das 5-fache des Feldfaktors f = σ0/σ . Fern von den Übergangszonen ist er 1, nahe der Übergangszonen dagegen verändert er sich von σ0 allmählich auf 1, indem σ auf σ0 abfällt. Der Feldfaktor f bewirkt eine weitere Betonung der Bereiche sehr kleinen σ's. σ/x (türkis) hat in der Flankenmitte (also hier bei +/- 4) sein Extremum.

Das Leitfähigkeitsprofil (5-facher Wert: purpur) hat breite Extrema mit den Werten von ca. +/- 2.

Die Verschiebung der Raumladungen (blau) zu Bereichen kleiner Leitfähigkeit σ hin erfolgt in einem Bereich von wenigen Atomlagen. Sie ist eher eine Folge des Leitfähigkeitsansatzes von Modell 2.

Abb. 4a:  σ = 1; σ0 = 0,1.

Leitfähigkeitsmodell (1): Hier erfolgt ein linearer Übergang zwischen den Leitfähigkeiten σ0 und σ .

Das Leitfähigkeitsprofil (magenta) - σ /x 1/σ strebt bei einer Breite b (hier 0,8) gegen (σ - σ0)/(b·σ0) am Rand kleiner Leitfähigkeit. Für σ0 => 0 divergiert dieser Faktor. (b = 0,8 gewählt)

Dagegen strebt für σ0 => 0 das Integral gegen einen endlichen Wert (rötlich oder bläulich).

Feldfaktor (grün, 5-facher Wert): Die Feldanpassung erfolgt vollständig in der Übergangszone, in der sich σ verändert. Zwischen beiden Zonen gilt mit der verwendeten Näherung E = U/𝓁.

Zwar divergiert die Ladungsdichte (blau) schwach für jeweils einen Rand der Übergangszone, nicht aber die jeweilige Gesamtladung, wie sich analytisch nachrechnen lässt. Außerhalb der Übergangszone ist die Ladungsdichte stets 0.

Leitfähigkeitsmodell 1:

Die Leitfähigkeit σ verändert sich in den Übergangszonen linear von σ auf σ0  bzw. umgekehrt. Die Ableitung von σ und damit das Leitfähigkeitsprofil sind nur innerhalb der Übergangszone von 0 verschieden und dort konstant. Innerhalb dieses Bereichs muss die entstehende Ladungsdichte liegen. Die relativ hohe elektrische Feldstärke zwischen beiden Übergangszonen muss durch die Größe der Ladungsdichte angepasst werden. Mit abnehmender Leitfähigkeit σ0 divergiert die Ladungsdichte an einem Rand der Übergangszone schwach.

Es lässt sich aber durch analytische Rechnung zeigen: Das Integral über das Leitfähigkeitsprofil für einen Übergang ist ohne Berücksichtigung des Vorzeichens ln(σ0), und das Integral über die Ladungsdichte, also die Gesamtladung für einen Übergang ist bis auf die Faktoren U/𝓁·ε0 gleich σ - σ0. Während für σ0 gegen 0 das erste Integral divergiert, strebt die Gesamtladung  gegen den endlichen Wert σ U/𝓁·ε0 , ein ganz vernünftiges Ergebnis (siehe Abb. 4a).

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Leitfähigkeitsmodell 2:

Die Übergänge der Leitfähigkeit sollen jetzt gleichmäßiger erfolgen. Dazu wird also für eine der beiden Übergangszonen angesetzt (für die zweite entsprechend):

σ = σ0  + (σ- σ0)/2·{1 + tanh[-c(x+a)]} , wobei das Zentren der Übergangszone bei -a liegen sollen. c soll ein Maß für die Breite der Übergangszone sein. Für x => -∞ strebt σ gegen σ, für x => ∞ gegen σ0

Für die Ableitung erhalten wir dann:

σ /x = -(σ- σ0)/2·{1 - tanh2[-c(x+a)]}·k

σ /x = (σ- σ0)/2·{1 - tanh2[-c(-x+a)]}·c

Für x => -/+∞ strebt σ /x gegen 0.

Für die zweite Übergangszone gilt also:

σ = σ0  + (σ- σ0)/2·{1 - tanh[-c(x-a)]} , wobei das Zentren der Übergangszone bei +a liegen sollen. c soll ein Maß für die Breite der Übergangszone sein. Für x => -∞ strebt σ gegen σ0 für x => ∞ gegen σ. Bei x = -a verändert sich die Leitfähigkeit also von σ auf σ0, bei x = a wiederum von  σ0 auf  σ.

Die Rechnung zeigt:

Je stärker die Leitfähigkeit reduziert wird, desto größer wird zunächst die Raumladung. So hat man das erwartet. Aber mit abnehmender Leitfähigkeit nähert sich die Ladungsmenge schließlich einem Sättigungswert. Die Ladungsverteilung ändert sich schließlich kaum mehr. Sie wandert von der Übergangszone geringfügig weg in das Medium mit der geringeren Leitfähigkeit. Die elektrische Feldstärke steigt erst hier weiter an. Die Gesamtladung für eine Übergangszone strebt gegen einen endlichen Wert. Das Leitfähigkeitsprofil wird für σ gegen 0 immer breiter mit dem Integral - ln(σ0).

Beide Leitfähigkeitsmodelle zeigen ähnliche Eigenschaften (Auftreten von Raumladungen, Endlichkeit der jeweiligen Raumladung, Gesamtladung mit Vorzeichen, Einfluss der Leitfähigkeitsunterschiede, Übergang zum Isolator). Im Detail unterscheiden sie sich. Ein realistischeres Modell wird möglicherweise zwischen den beiden untersuchten Modellen liegen. Spätestens, wenn σ0 = 0, also bei vollständiger Unterbrechung des Stromkreises, sollte wohl ein anderes Modell verwendet werden, nämlich, dass die Batterie Ladungen auf einen "Polklemmen-Kondensator" mit geänderter Kapazität pumpt.

Bei der Induktionsschleife ist das übrigens die Situation (also der unterbrochene Stromkreis), in der aus der Ringspannung durch die "Ladungsanhäufungen" eine gewöhnliche Spannung gleicher Größe "zwischen den Enden der Schleife bzw. der Spule" entstanden ist. Nur über diese Situation macht die Schulphysik in der Regel Aussagen.

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8. Zur Fragestellung nach der Rolle der Raumladungen

Verringert man bei fester Batteriespannung U die Leitfähigkeit im Widerstand, entstehen Raumladungen nahe der Übergangszonen der Leitfähigkeit. Unabhängig von ihrem Vorzeichen bleibt auch innerhalb des Widerstands wie im ganzen Stromkreis außerhalb der Stromquelle die Tendenz "E-Feld außerhalb der Batterie von + nach - gerichtet" beibehalten. Ist die Leitfähigkeit des Widerstands quasi 0, sind die Raumladungen von einem elektrischen Feld U/𝓁 in der "Lücke" der Breite 𝓁 (Widerstand) begleitet. In weiten Bereichen ist die Raumladung in einer Übergangszone um so größer, je geringer die Leitfähigkeit im Widerstand ist mit einem Sättigungswert für sehr kleine σ0.

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a)
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b)
Abb. 8a: Die Leitfähigkeit σ im Widerstand ist kleiner als im Rest des Stromkreises. Die Zeichnung zeigt die Polarität der Stirnladungen zur Anpassung der elektrischen Feldstärke E. Im Widerstand ist die elektrische Feldstärke größer (langer grüner Pfeil) als im Rest des Stromkreises. Die Tendenz "E-Feld außerhalb der Batterie von + nach - gerichtet" wird beibehalten.

Abb. 8b: Die Leitfähigkeit σ im "Widerstand" ist hier größer als im Rest des Stromkreises. Die Raumladungen zur Anpassung der elektrischen Feldstärke E haben umgekehrtes Vorzeichen als in Abb. 8a. Im "Widerstand" ist die elektrische Feldstärke kleiner (kurzer grüner Pfeil) als im Rest des Stromkreises.

Die Tendenz "E-Feld außerhalb der Batterie von + nach - gerichtet" wird beibehalten trotz der "falschen" Polung der Raumladungen in den Übergangszonen. Sie erzeugen ein Zusatzfeld, das das äußere Feld schwächt und entgegengesetzt zu diesem ist.

Das bestätigt erneut, dass die Raumladungen nur zur Anpassung des elektrischen Felds dienen, nicht zur Erzeugung des elektrischen Felds, das von der Batterie ausgeht.

(beide Zeichnungen schematisch)


Bei einheitlichem Material (einheitliche Leitfähigkeit) und einheitlichem Querschnitt gibt es im geschlossenen Stromkreis nirgends Raumladungen. Erst, wenn ein Widerstand in den Stromkreis geschaltet wird mit unterschiedlicher Leitfähigkeit, entstehen an seinen Enden Ladungsüberschüsse gleichen Betrags, aber unterschiedlichen Vorzeichens. Durch sie wird der Betrag der elektrischen Feldstärke E im Zwischenbereich angepasst. Diese Raumladungen sind aber nicht Ursache für das elektrische Feld, das den Stromfluss gemäß j = σ·E  begleitet und von der Batterie ausgeht.

Dass die Ursache für den Strom in der Batterie liegen muss, ist anschaulich klar. Man sieht es auch daran, dass der Strom unmittelbar zum Erliegen kommt, wenn die Batterie abgetrennt wird. Dagegen kann man die Leitungen beliebig verformen, wobei sich das elektrische Feld durch die sich verändernden Oberflächenladungen in den Leitern immer wieder neu einstellt, ohne dass sich der Strom verändert.

9. Einfluss von Querschnittsänderungen

Es soll jetzt ein Leiter untersucht werden, der bis zu einer Übergangsstelle aus zwei parallel mit einander verbundenen Materialien mit den Leitfähigkeiten σ und σ0 bestehe. Hinter der Übergangsstelle bestehe er aus einheitlichem Material mit der Leitfähigkeit σ. Wir können das auffassen als eine Reihenschaltung von zwei Widerständen.

Abb. 9: Ein Leiter konstanter Querschnittsfläche A+A' soll aus einer Reihenschaltung von zwei Widerständen bestehen, wovon einer wiederum aus einer Parallelschaltung von zwei Widerständen mit unterschiedlichen Leitfähigkeiten σ und σ0 und den Querschnittsflächen A und A' besteht.

Diese Prozedur wurde gewählt, weil man so die Rolle von Querschnittsänderungen untersuchen kann, wenn man σ0 gegen 0 streben lässt.

Wegen der Wirbelfreiheit des elektrischen Felds herrscht in beiden Teilen des Abschnitts 1 die gleiche elektrische Feldstärke, innerhalb des Abschnitts 2 sowieso. Im Abschnitt 1 herrsche in beiden Leitfähigkeitsbereichen mit den Querschnittsflächen A und A' die Feldstärke E1, im Abschnitt 2 die Feldstärke E2. Wegen der Konstanz der Stromstärke gilt

σ · E1·A +  σ0· E1·A' = σ · E2· ( A1 + A' )

also

E1/E2 = σ · ( A + A' ) / ( σ · A +  σ0· A')

Wir wollen nun das Material mit σ0 zum Isolator machen. Wenn σ0 = 0 also

    E1/E2 = ( A + A' ) / A    

Die Feldstärken verhalten sich umgekehrt wie die jeweiligen Querschnittsflächen *). Diese Situation entspricht einer Querschnittsänderung von A auf A + A' bei konstanter Leitfähigkeit σ. Wieder wird die Feldstärkenänderung durch Raumladungen nahe der Trennfläche zwischen beiden Bereichen erzeugt.

                     Raumladungen im Leiter entstehen auch, wenn sich die Querschnittsfläche des Leiters ändert.                  

Im Extremfall, bei einer Unterbrechung des Leiters (σ0 = 0) von Abschnitt 6, entstehen tatsächlich Überschuss und Mangel von Ladungen an den Unterbrechungsstellen ("Polen"). Ein direkter Zusammenhang mit der Größe der Ladungen beim unverbundenen Polklemmen-Kondensator ist nicht erkennbar. Die Kapazität des Polklemmen-Kondensators wird verändert. Diese Ladungen passen die elektrischen Feldstärken an das von Spannung und Länge der Unterbrechungsstelle geforderte Maß an.

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10. Zusammenfassung:

  • Bei einem stationären Strom - wie in einem Gleichstromkreis - ist der Stromfluss nicht die Folge gegenseitiger Coulomb-Abstoßung von Ladungsanhäufungen, sondern die Bewegung von im Stromkreis vorhandenen Ladungen durch "äußere Kräfte" (z.B. chemische "Kräfte" in der Batterie oder durch Induktion).
  • Ladungen nach dem Kondensator-Modell nehmen nicht am Stromfluss teil. Es gibt keinen physikalischen Anhaltspunkt dafür, dass die Batterie nach Erreichen des stationären Zustands Ladungen auf den Mantel pumpt oder von ihm absaugt.
  • Ein Stromfluss ist demzufolge nicht die Folge eines - wie auch immer definierten  - "Elektronendrucks" oder "elektrischen Drucks" als Folge gegenseitiger Abstoßung von Ladungen. Modelle, die darauf beruhen, sind m.E. abzulehnen.
  • Ladungsanhäufungen im geschlossenen Stromkreis treten nur auf bei Änderungen der Leitfähigkeit oder des Leiterquerschnitts. Sie sind nicht die Ursache von elektrischen Feldern, mit denen vorhandene Ladungsträger durch den Stromkreis bewegt werden. Sie passen vielmehr die elektrische Feldstärke an auf das Maß, das durch Spannung, Widerstand, Stromstärke etc. festgelegt ist.
  • Solche Ladungsanhäufungen ("Oberflächenladungen", hier "Stirnladungen" oder Raumladungen) treten nur nahe der Übergangszonen (Änderungen der Leitfähigkeit oder des Leiterquerschnitts) auf, nicht etwa generell im ganzen Leiterabschnitt vor oder nach einem Widerstand. Das widerspricht landläufigen Fehlvorstellungen zum einfachen elektrischen Stromkreis.
  • In den Stromzuführungen zwischen den Polen der Batterie und einem Widerstand herrscht außerhalb der Übergangszonen die gleiche Ladungsdichte ρ = 0.
  • Der Energietransport von der Energiequelle (Batterie) zu einem Energie"verbraucher" wird vermittelt durch das vom Strom erzeugte magnetische Feld und das elektrische Feld, das von den statischen Oberflächenladungen auf dem Mantel der Stromzuführungen ("Mantelladungen") ausgeht.
  • Die Energie fließt außerhalb der Stromzuführungen, aber überwiegend in ihrer Nähe, von der Energiequelle zum "Verbraucher".
  • Das Gerede von Überschuss und Mangel von Elektronen am Minus- bzw. Pluspol bezieht sich auf statische Oberflächenladungen ("Mantelladungen"), die nicht am Stromfluss teilnehmen, aber eine wichtige Funktion bei der Vermittlung des Energietransports ausüben.
  • "Mantelladungen" auf der Wandung der Leiter passen das elektrische Feld an den Leiterverlauf an, nehmen aber am Stromtransport nicht teil. Sie entstanden ebenfalls in schwer zu überschauenden Vorgängen während des kurzzeitigen Einschaltvorgangs.
  • Wenn beim Eintritt in einen Widerstand die Leitfähigkeit in gleicher Weise absinkt wie sie beim Austritt wieder ansteigt, unterscheiden sich die beiden Raumladungen allein durch das Vorzeichen.
  • Die vorstehenden Überlegungen machen keinen Gebrauch davon, ob die Ursache des Stroms lokalisierte chemische "Kräfte" in einer Batterie oder ausgedehnte sich ändernde magnetische Felder in einer Induktionsschleife sind.
  • Damit gibt es auch von dieser Seite her keinen Anlass, Spannung und Stromstärke in beiden Fällen unterschiedlich zu beschreiben und zu erklären, wie das schon bei den Spannungsbegriffen Potenzialdifferenz und Ringspannung war.

In diesem Licht sollten didaktische Versuche gesehen werden, Spannung, Strom und elektrische Felder im Stromkreis für Schüler plausibel zu machen. Die gegenwärtige didaktische Mode, Spannungen und Feldstärken im Stromkreis durch Oberflächenladungen und Raumladungen zu "erklären", entspricht nur teilweise den Sachverhalten und ist außerdem für die Schule viel zu kompliziert. Natürlich haben auch die Überlegungen dieses Textes in der Regel im Schulunterricht nichts zu suchen. Ich bevorzuge die Argumentation eines für Schüler vorgesehenen Textes student-stromkreis.html  oder nach dem Schülertext im Büchlein "Der einfache elektrische Stromkreis - altes Wissen und neue Erkenntnis".


Definitionsfrage: In der Physik kennt man nur eine Stromrichtung, die so genannte technische Stromrichtung. Alle einschlägigen physikalischen Gesetze sind auf sie bezogen. Dagegen gibt es auch noch Bewegungsrichtungen der Ladungsträger, die je nach Ladungsvorzeichen mit der Stromrichtung übereinstimmen oder entgegengesetzt sein können. Da selbst in einem bestimmten Stromkreis unterschiedliche Bewegungsrichtungen von positiven und negativen Ladungsträgern eine Rolle spielen können, ist es nicht möglich und sinnvoll, eine Stromrichtung durch die Bewegungsrichtung zu definieren.

Die Elektrodynamik ist bekanntlich keine kausale, sondern eine konsistente Theorie. Sie beschreibt nicht Ursache und Wirkung, sondern gleichzeitig vorliegende "Begleitumstände".

Unterschiedliche Feldstärken in verschiedenen Raumbereichen deuten noch nicht auf Raumladungen hin wie das Beispiel des inhomogenen Coulombfelds zeigt.


Dass hier das elektrische Feld der Leitergeometrie folgt, wird mit Oberflächenladungen (Mantelladungen) erklärt. Lehrbücher der Elektrodynamik beweisen das mit Hilfe der Wirbelfreiheit von E, also mit rot E = 0 und der Kontinuitätsgleichung für den Strom (div j = 0), wenn außerhalb des Leiters die Leitfähigkeit σ = 0 ist, der Leiter also an einen Isolator grenzt. Wie die hier diskutierten Raumladungen sind auch die Oberflächenladungen nicht Ursache des elektrischen Stromes, sondern passen das von der Batterie oder dem sich ändernden Magnetfeld erzeugte elektrische Feld lediglich an die jeweilige Leitergeometrie an. Statische Oberflächenladungen sind, wenn man der Literatur glauben darf, sehr klein. Sie können auch nicht die Energie für einen stationären Strom durch einen Widerstand herbeischaffen.

Das lässt sich - Standardlehrbüchern der Elektrodynamik folgend - mathematisch leicht zeigen:

(1) Wegen der Kontinuitätsgleichung gilt, wenn keine Ladungen erzeugt werden (∂ρ/∂t = 0):

An der Grenzfläche:  div j = div (σ·E) = 0 . n sei ein Einheitsvektor, der auf einer infinitesimalen Grenzfläche zwischen Leiter und Isolator senkrecht steht. Gemäß den Regeln der Vektoranalysis gilt dann: div j = n · (σ2·E2 - σ1·E1) = 0. Dabei zeigt n von Gebiet 1 nach Gebiet 2. Wenn der Leiter an einen Isolator angrenzt (Gebiet 2; σ2 = 0), müssen also n und E1 aufeinander senkrecht stehen: E im Leiter (Gebiet 1) ist parallel zur Grenzfläche. Gäbe es im Inneren eine Feldkomponente senkrecht zur Grenzfläche, würden durch sie Ladungen an die Grenzfläche zum Isolator verschoben werden, bis sie verschwunden ist, bis also das Feld parallel zur Grenzfläche verläuft.

(2) Im Inneren des Leiters: Weiter folgt aus der Wirbelfreiheit von E im Bereich des Leiters: rot E = 0 => n x (E2 - E1) = 0 für einen infinitesimalen geschlossenen Weg, dessen eine längere Seite in einem Gebiet 1 und dessen zweite längere Seite in einem Gebiet 2 verläuft. Da beide Feldstärken bei angrenzendem Isolator senkrecht zu n verlaufen, folgt daraus E2 - E1 = 0 bzw.  E2 = E1 . Insbesondere ergeben sich wegen (1) gleiche elektrische Feldstärken über den ganzen Leiterquerschnitt. Am Rand eines Leiters, der (mit scharfer Begrenzungsfläche) an einen Isolator angrenzt, folgt, dass das E-Feld im Leiter parallel zur Oberfläche gerichtet ist, und dass es außerhalb zumindest gleiche Parallelkomponente hat.

(3) Wegen der konstanten Stromstärke im unverzweigten Stromkreis und wegen des Ohm'schen Gesetzes j = σ·E folgt bei konstantem Leiterquerschnitt und konstanter Leitfähigkeit, dass j  und E für sich überall konstanten Betrag haben. Aus dem Ohm'schen Gesetzes j = σ·E folgt bereits, dass sie im Leiterinneren überall gleichgerichtet sind, also wie (1) schon sagt, dass sie der Leitergeometrie folgen.


*) Das würde auch aus der Konstanz der Stromstärke folgen: Es gilt

σ· E1· A = σ· E2· (A+A'), also E1/E2 = (A+A')/A


Bei einer Polklemmen-Kapazität in der Größenordnung von pF und Leitungskapazitäten von gleicher Größenordnung und einer Spannung von 6 V werden ca. 10·10-12 As gespeichert. Bei einer Stromstärke von 0,1 A würde diese Ladungsmenge in ca. 10-10 s abfließen. Dass die gespeicherte Ladung so winzig ist, legt erneut nahe, dass ihr Einfluss auf den Stromfluss vernachlässigbar ist.


Müller R., A semiquantitative treatment of surface charges in DC circuits, Am. J. Phys. 80 (9), September 2012  [http://dx.doi.org/10.1119/1.4731722]

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( November 2015;

Mai 2018: einige Präzisierungen der Formulierung

September 2018: üblicher Beweis für dünne und scharf begrenzte Leiter ergänzt

Januar 2019: Berechnung der Gesamtladung in einer Raumladungszone ergänzt

Juli 2019: Zusammenhang zwischen Mantelladungsdichte und Radialkomponente des elektrischen Felds außerhalb des Leiters ergänzt

August 2019: auf Energietransport im Stromkreis hingewiesen)