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Physik für Schülerinnen und Schüler Gibt es eine Schwere ? © H. Hübel Würzburg 2013 |
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Von einem Körper wird behauptet, er sei schwer oder leicht. Du nimmst wohl an, dass von einer Eigenschaft des Körpers die Rede ist.
Aber stell' dir Folgendes vor:
Du hast zwei unterschiedlich schwere Körper vor dir, z.B. eine Kugel vom Kugelstoßen und einen Tischtennisball. Jeder wird sagen, dass die Kugel schwerer ist als der Tischtennisball.
Erfahrungen der Mondreisenden
Aber von den Astronauten, die den Mond besucht haben, weißt du es: Auf dem Mond ist jeder Körper nur 1/6 so schwer wie auf der Erde. Deshalb konnten die Astronauten dort zwischen 1969 und 1972 trotz der zusätzlichen (schweren) Ausrüstung große Sprünge machen.
Stell' dir vor, die Kugel und der Tischtennisball werden auf den Mond gebracht. Auch der Astronaut wird dort feststellen, dass die Kugel schwerer als der Tischtennisball ist. Aber es gelänge ihm - anders als auf der Erde - mit recht geringer Kraft, die Kugel in die Höhe zu werfen: Die Kugel ist auf dem Mond leichter als auf der Erde.
Offenbar ist die Kugel an unterschiedlichen Orten unterschiedlich schwer.
Schau dir einmal eines dieser Videos über eine Expedition zur Raumstation ISS bei ihrem Flug um die Erde an:
Dabei siehst du auch Szenen aus dem Inneren der Raumstation ISS. Wo ist hier oben und unten?
Und du siehst auch, wie die Astronauten durch die Raumstation schweben, so als ob sie ganz leicht wären. Innerhalb des Raumlabors ISS sind alle Gegenstände sogar schwerelos. Wenn einer der Astronauten ganz vorsichtig eine volle Kaffeetasse in der Mitte der Station "abstellt", so bleibt sie dort schweben ohne "zu Boden" zu sinken.
Also hat es keinen Sinn, Gegenständen eine messbare Eigenschaft zuzuordnen, die Schwere heißt.
Deine Augenfarbe dagegen ist eine Eigenschaft von dir, weil sie überall die gleiche ist, weil sie charakteristisch für dich ist. Deswegen ist sie sogar im Personalausweis angegeben.
Es gibt keine Eigenschaft eines Körpers, die Schwere genannt werden könnte. |
Was meint man aber, wenn man richtig sagt, dass zwei Körper unterschiedlich schwer sind? Wieder helfen uns die Erfahrungen der Astronauten auf dem Mond weiter: Jeder weiß es, dass Körper vom benachbarten Himmelskörper angezogen werden: Bei uns ist das die Erde, für die Astronauten war das der Mond. Der benachbarte Himmelskörper übt eine Kraft auf Kugel und Tischtennisball aus, zieht sie nach unten, zum Zentrum des Himmelskörpers hin. Es ist offenbar so: Unterschiedliche Himmelskörper (wie Erde und Mond) ziehen die Kugel unterschiedlich stark an. Der kleinere Mond übt eine kleinere Kraft auf die Kugel aus als die größere Erde. (Es spielt allerdings nicht nur die Größe des Himmelskörpers eine Rolle.). An einem festen Ort wird die Kugel stärker angezogen als der Tischtennisball; auf die Kugel wirkt eine größere Gewichtskraft als auf den Tischtennisball.
Die Gewichtskraft G ist ein Vektor, der durch Betrag und Richtung gekennzeichnet ist. Ihr Betrag G wird wie bei jeder Kraft in der Einheit N (Newton) gemessen. Deshalb kann man sagen, dass die Gewichtskraft, die auf dich wirkt, bei uns ca. 500 N ist. G wird wie der Betrag jeder Kraft mit einem Kraftmesser bestimmt.
Wie zeigt sich die Gewichtskraft ?
Die Gewichtskraft, die auf einen Körper wirkt, hängt also vom Körper selbst und vom benachbarten Himmelskörper ab. Früher, als Menschen noch nicht die Erdoberfläche verlassen konnten, haben sie das übersehen, deswegen glaubten sie fälschlicherweise, ein Körper besitze eine für ihn charakteristische Eigenschaft, die sie eben damals irreführend "Schwere" nannten. Heute dagegen wissen wir, dass die Gewichtskraft G etwas mit der "Wechselwirkung" zwischen Körper und Himmelskörper zu tun hat.
Heute wissen wir:
Statt Gewichtskraft hat man früher einfach Gewicht gesagt; aber da weiß man nicht recht, was gemeint ist, Gewichtskraft oder Masse? Deswegen empfehle ich dir, dass du das Wort Gewicht im Physik-Unterricht nicht gebrauchst. In der Regel ist in der Umgangssprache die Gewichtskraft gemeint, die auf einen Gegenstand wirkt.
Ein Gegenstand kann keine Schwere als Eigenschaft haben. Aber er kann auch kein Gewicht und keine Gewichtskraft haben. Wenn du irgendwo liest, ein Gegenstand "habe" eine Gewichtskraft von 100 N, dann weißt du, was gemeint ist: Auf den Gegenstand wirkt (wohl bei uns) eine Gewichtskraft von 100 N. Aber eigentlich ist die Aussage falsch, denn ein Gegenstand kann keine Gewichtskraft haben. Die Gewichtskraft, die auf ihn wirkt, hängt ja schließlich vom Körper und vom benachbarten Himmelskörper ab. Sie ist keine Eigenschaft des Körpers allein.
Also:
Es gibt keine Eigenschaft eines Gegenstands, die Schwere heißt. Auf einen Gegenstand wirkt eine Gewichtskraft (gemessen in N), die vom Gegenstand und vom benachbarten Himmelskörper abhängt. Sie kennzeichnet die Wechselwirkung zwischen dem Gegenstand und dem benachbarten Himmelskörper. |
Natürlich ist der benachbarte Himmelskörper meistens die Erde.
Mehr zur Gewichtskraft - oben und unten
Wie jede Kraft hat die Gewichtskraft einen Betrag und eine Richtung. Sie ist wie jede Kraft ein Vektor. Bisher hast du dich nur mit dem Betrag der Gewichtskraft befasst. Sie ist in sehr guter Näherung zum Zentrum des jeweiligen Himmelskörpers gerichtet. Du kannst die Vektoren der Gewichtskraft G bei der Erde als Pfeile zeichnen, deren Länge dem Betrag der Gewichtskraft entspricht, und deren Richtung die Richtung der Gewichtskraft G angibt. Du erhältst dann in der Zeichnung so etwas wie einen Stacheligel mit nach innen gerichteten Spitzen, wenn für verschiedene um den Erdball verteilte Gegenstände die Gewichtskraft eingezeichnet wird. (zurück) |
Davon bemerkst du im allgemeinen nichts. Denn wo auch immer du
stehst, die Gewichtskraft G ist "nach unten"
gerichtet, immer senkrecht zum horizontalen Erdboden, also
immer vertikal. Naja, dir entgeht ja im allgemeinen auch,
dass die Erdoberfläche gekrümmt ist. Du hältst sie vielleicht für
eben.
Erst, wenn du mit einer Raumstation um die Erde kreisen würdest, sähst du, wie die Erdoberfläche gekrümmt ist. An jeder Stelle wirkt aber die Gewichtskraft senkrecht zur gekrümmten Oberfläche, zum Zentrum der Erde hin. Bilder aus dem Weltall von unserer Erde kannst du auch im Video sehen: http://www.helles-koepfchen.de/esa/astrolab_thomas_reiter/video.html Du erkennst ganz klar die Krümmung der Erdoberfläche. |
Man muss also sagen:
Das gilt jeweils in einer kleinen Umgebung von dir, die du noch überschauen kannst. |
Mit dem Stacheligel, den die Vektoren der Gewichtskraft bilden, lässt sich erklären, weshalb die Menschen uns gegenüber, auf der anderen Seite der Erdkugel (z.B. in Neuseeland) nicht von der Erdkugel "herunterfallen". Sie werden ja durch die Gewichtskraft gehalten, die zum Erdmittelpunkt hin gerichtet ist. Früher hat das sehr verwundert, deshalb gab man den Menschen dort einen eigenen Namen, die "Antipoden" (so etwas wie "Gegenfüssler"; du kannst dir vorstellen, weshalb).
Auf die Raumstation wirkt bei ihrem Flug um die Erde eine Gewichtskraft, die ständig ihre Richtung ändert, aber eben immer zum Erdmittelpunkt hin gerichtet bleibt. Sie zwingt die Raumstation auf eine Kreisbahn um die Erde. Könnte man die Gewichtskraft plötzlich abschalten, würde die Raumstation tangential zur bisherigen Kreisbahn ins Weltall davon fliegen. Diese Gewichtskraft auf die Raumstation als Ganzes darfst du nicht verwechseln mit der Kraft auf Gegenstände, die ein mitreisender Astronaut in der Raumstation misst. Gemessen in der Raumstation sind alle Gegenstände "schwerelos".
Auch auf der Erdoberfläche ist die Gewichtskraft nicht ganz konstant. Auf 1 𝓁 ( 1 Liter) Wasser wirkt am Äquator eine Gewichtskraft von ca. 9,79 N, an den Polen von ca. 9,83 N. Grund ist die Form des Erdglobus: Er ist an den Polen "abgeplattet", d.h. die Pole sind näher am Erdmittelpunkt als die Punkte auf dem Äquator. An den Polen wirkt also eine größere Gewichtskraft. Schwankungen der Gewichtskraft von Ort zu Ort beeinflussen die Bewegung von Satelliten. Deshalb kann man mit Hilfe von Satellitenbahnen die genaue Form des Erdglobus, aber auch die Verteilung von Gesteinen vermessen und z.B. Erzlagerstätten entdecken. Man weiß heute, dass der Erdglobus grob die Form eines Rotationsellipsoids hat. Wenn man aber genauer hin schaut und stark übertreibt, sieht er ziemlich verbeult aus. Der Erddurchmesser von Pol zu Pol ist ca. 0,3% kleiner als der Erddurchmesser in der Äquatorebene, das sind etwa 42 km; wirklich nicht viel.
Sprechweisen:
Völlig falsch ist es zu behaupten, ein Körper "habe" eine Gewichtskraft. |
1. In manchen Schulbüchern wird die Gewichtskraft definiert als die Kraft, "mit der ein Gegenstand auf seine Unterlage drückt". Drückt ein Körper auf die Unterlage oder wird er gedrückt? Nimm Stellung, ob die Schulbuchformulierung korrekt ist.
2. Wenn du eine Masse von 60 kg hast, wirkt auf dich hier auf der Erde eine Gewichtskraft von ca. 600 N. Welche Gewichtskraft würde auf dich auf dem Mond wirken? Welche Masse hättest du dort?
3. Auf 1 𝓁 Wasser wirkt bei uns eine Gewichtskraft von ca. 10 N. Welche Gewichtskraft wirkt dann auf 1 m3 Wasser? Auf das Wasser einer gefüllten Badewanne? Auf die Füllung eines häuslichen Swimmingpools? Wähle dazu vernünftige Daten selbst! (Hinweis: 1 m3 = 1000 dm3 = 1000 𝓁 = 1 000 000 cm3 ) Erkennst du ein Problem, wenn du einen solchen Swimmingpool auf dem Flachdach deines Hauses bauen lassen möchtest?
4. "Horizontal" heißt parallel zur Erdoberfläche am Ort des Beobachters. Warum verschwindet die Sonne beim Sonnenuntergang für einen Beobachter "hinter dem Horizont"?
5. Wie können Bergleute auch unter Tage mit einfachen Hilfsmitteln recht genau entscheiden, wo oben und unten ist? Würde das Verfahren auch in der Raumstation ISS funktionieren?
6. Auch Pflanzen in der Raumstation haben das Problem, dass es kein oben und unten gibt. Sie "wissen" also nicht, in welche Richtung sie ihre Wurzeln und ihren Stängel wachsen lassen sollen. Eine Idee ist es, die Raumstation in Rotation zu versetzen. Wo ist dann für die mitgeführten Pflanzen oben und unten? (Dieses Verfahren führt übrigens zur so genannten Mikrogravitation, die Gegenstand intensiver Forschung ist.)