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© Horst Hübel Würzburg 2005 - 2025

Stichwort

Der Skilift im Potenzialfeld der Erde - Vergleich mit dem "Potenzial" beim Stromkreis

1. Vorbemerkung: In älteren Lehrbüchern der Elektrodynamik kann man nachlesen, dass es beim Gleichstromkreis kein Potenzial geben kann, das die Vorgänge beim Gleichstrom vollständig beschreibt. Physikalischer Grund ist, dass ein Potenzialfeld nicht die benötigte Energie heranschaffen kann. Auch die Rolle von Oberflächenladungen wird dort manchmal diskutiert.

2. Vorbemerkung: Das elektrische Potenzialfeld zwischen den Platten eines geladenen Kondensators

In einem geladenen Kondensator mit Plattenabstand d besteht ein elektrisches Feld, idealisiert als homogenes Feld mit dem Betrag der Feldstärke E = D/ε, wobei D = Q/A die Flächenladungsdichte ist. Damit hängt die angelegte Spannung U (Q = C·U) zusammen. Ein freies Elektron wird in das elektrische Feld zwischen den Platten gebracht. Dieses ist ein Potenzialfeld, d.h. die Verschiebungsarbeit an diesem Elektron in seinem Inneren ist für einen geschlossenen Rundweg immer 0. Man kann jedem Punkt ein eindeutiges Potenzial Φ(x) zuordnen, das eine Funktion des Ortes x  ist.

Dazu betrachtet man Verschiebungen einer Probeladung, die so langsam erfolgen, dass quasi keine kinetische Energie entsteht.
Sie soll so klein sein, dass das Feld durch sie nicht verändert wird.

Die Verschiebung soll von einem beliebigen Punkt A zu einem Punkt P und wieder zurück zu A (beide Punkte im Inneren des Kondensators) erfolgen. Die aufzuwendende Verschiebungsarbeit von A zu diesem Punkt P ist von gleichem Betrag wie die zu gewinnende Verschiebungsarbeit von dort zurück zum Ausgangspunkt A. Das Potenzial  an diesem Ort P (im Vergleich zu A) wird dann definiert als Verschiebungsarbeit pro Ladungseinheit (bzgl. A). A heißt dann Potenzialnullpunkt. Zwischen zwei beliebigen Punkten A und P im Inneren besteht dann eine Potenzialdifferenz, die auch als Spannung zwischen diesen Punkten bezeichnet wird.

Vor wenigen Jahrzehnten hat man diese Spannung im Leistungskurs Physik noch aufwändig mit einer Flammensonde gemessen.

Entscheidend ist: Diese Spannung wird definiert mit einer (abstrakten) Verschiebungsarbeit, die - wenigstens in Gedanken - durch eine beliebige äußere Kraft verrichtet wird. Dazu werden keine fließenden Ladungen benötigt.

Nun zum Problem des Skilifts:

Kräfte können in vielen Fällen auch sonst von einem Potenzialfeld abgeleitet werden. Ja, um einen bestimmten Fall von Kräften zu behandeln, wurde das Potenzialfeld erfunden. In einem reinen Gravitationsfeld mit einem Potenzial Φ(x) = g·x folgt z.B. für die Gewichtskraft G = m·g = - m·grad(Φ) (Koordinatenachse x radial vom Zentrum weg, an einem festen Punkt der Erdoberfläche "nach oben").

Das Potenzial ist definiert über die Verschiebungsarbeit W: um mit Hilfe einer äußeren Kraft einen Körper der kleinen Masse m vom Potenzialnullpunkt A zu einem Punkt P mit der Höhenkoordinate x ohne Zufuhr von kinetischer Energie zu verschieben, muss die Arbeit W = m·g·x aufgewendet werden, bezogen auf die Masseneinheit also die Verschiebungsarbeit Φ = W/m = g·x. Sie wird Potenzial Φ am Punkt P genannt, aber nur, weil diese Verschiebungsarbeit W unabhängig vom Weg ist, auf dem die Verschiebung erfolgt.

Man verwendet wieder eine Probemasse m, die so klein sein soll, dass das Feld durch sie nicht verändert wird.

Die Wegunabhängigkeit ist im reinen Gravitationsfeld sicher gegeben, da andernfalls auf einem bestimmten Rundweg vom Potenzialnullpunkt zum betrachteten Punkt und wieder zurück zum Potenzialnullpunkt Energie gewonnen werden könnte, was nicht der Fall ist. Die Existenz eines Potenzials hängt also eng mit dem Energieerhaltungssatz zusammen. Andernfalls kann die Verschiebungsarbeit keine Funktion des Orts allein sein, gibt es keine potentielle Energie und kein Potenzial, weil es mindestens einen Weg gibt mit abweichender Verschiebungsarbeit zwischen A und P 2 .

Die Verschiebung kann durch eine beliebige (abstrakte) äußere Kraft bewirkt werden, die gerade so ist, dass sie der Gewichtskraft entgegengesetzt gleich ist, sie aufhebt, so dass sie also keine Beschleunigung und Änderung der kinetischen Energie an der Masse bewirkt. Entsprechend beim Rückweg. 3

Wenn sich ein Sportler im Gravitationsfeld in einer bestimmten Höhe befindet, hat er potentielle Energie (woher auch immer). Ein Skilift kann dem Sportler der Masse m (also mit einer äußeren Kraft) potenzielle Energie zuführen, die er durch Beschleunigung beim Abfahrtslauf und Reibung wieder abgibt. Die Kräfte können aus 2 Gründen nicht aus einem Potenzialfeld stammen: erstens, weil von außen Energie zugeführt wird (z.B. elektrische beim Lift) und zweitens, weil durch Reibung nach einiger Zeit die zugeführte Energie wieder entzogen wird. Man kann sich aber die Kräfte aufgeteilt denken in Kräfte aus einem reinen Potenzialfeld und zwei Sorten anderer Kräfte (Elektrizität und Reibung). Der Potenzialkraft-Anteil kann z.B. genutzt werden, um die Umwandlung von potentieller in kinetische Energie bei der Abfahrt zu beschreiben (und zu berechnen), eventuell sogar mit Reibung. Und es ist sogar möglich, für den Sonderfall konstanter Abwärtsgeschwindigkeit (vgl. Fallkegelversuch!) diese zu berechnen (z.B. m·g = cR·v). Entscheidend ist, dass das Potenzialfeld ohne Lift und Reibung vorhanden ist.

Braucht man dazu Potenzial? Wozu ist das Konzept vom Potenzial hier nützlich?

Braucht man eigentlich in der Schule beim Gleichstromkreis den physikalischen Potenzialbegriff, der an die Wegunabhängigkeit gebunden ist? Braucht man nicht eigentlich nur die Tatsache, dass in der Regel zwischen zwei Punkten auf den Leitern die gleiche Spannung zu messen ist, ganz gleich, wie man die Kabel verlegt, mit denen man das Messgerät mit diesen Punkten verbindet? Diese Spannung heißt traditionell Spannungsabfall. Dass es Kabelverläufe (durch die Stromquelle) gibt, die - wenigstens im Prinzip - zu einem anderen Ergebnis führen könnten (und die Potenzialeigenschaft verhindern würden), ist ein Ausnahmefall. Nur der Regelfall muss in der Schule erklärt werden.

Hier zeigt sich ein weiterer Defekt gegenwärtiger Didaktik: Es wird in der Regel nur eine Kausalität zwischen Spannung (der Batterie; Ursache) und Strom (Stromstärke; Wirkung) behauptet und übersehen, dass auch der Strom (die Stromstärke) die Ursache für Spannungen ist (der Spannungsabfälle). Für die Schule formuliert, habe ich immer "Spannung macht Strom" (nämlich die Batteriespannung) und "Strom macht Spannung" (nämlich die Spannungsabfälle) nebeneinander gestellt.

Hier kommen endlich die (manchmal missverstandenen) "Oberflächen"ladungen (inkl. Raumladungen an Grenzflächen im Leiter) herein, die sich der Strom während des (in der Schule nicht zu behandelnden) Einschaltvorgangs schafft. Nach dem Einschaltvorgang sind durch die Oberflächenladungen in (und um) den Leitern solche Felder entstanden, dass die beobachteten Spannungsabfälle bzw. das vermeintliche "Potenzial" (in mancher Didaktik) entstanden ist. Mit einem Gas haben diese Oberflächenladungen nichts zu tun. Sie sind nach dem Einschaltvorgang stationär (unbeweglich) und nehmen - einmal gebildet - nicht mehr am Stromtransport teil. Sie bilden sich so aus, dass die Kontinuitätsgleichung für den Strom erfüllt ist. Nachdem dies geschehen ist, kann man jedem Punkt in den Leitern eine (weitgehend) eindeutige Spannung gegenüber einem Vergleichspunkt zuordnen, wie bei einem Potenzial.

Wenn in diesem Text vom physikalischen Potenzial gesprochen wird, wird die übliche Schreibweise verwendet. Wenn dagegen das "Potenzial" in mancher Didaktik gemeint ist, wird das Wort mit Anführungszeichen geschrieben.


Vergleich mit dem Gleichstromkreis:

  • Das Potenzial beim Kondensator und im Gravitationsfeld wird als vorgeben angesehen. Tatsächlich gibt es das, was in mancher Didaktik beim Stromkreis "Potenzial" heißt, erst mit einer Batterie und fließendem Strom. Die Batterie schafft sich erst während des Einschaltvorgangs das "Potenzial".

  • Das Feld ist unabhängig von konkreten Energieänderungen und von seinem experimentellen Nachweis, z.B. mit Hilfe der äußeren Kraft des Skilifts, während beim Gleichstromkreis das Feld erst durch die Batterie entsteht, die zugleich die "äußere Kraft" zum Nachweis/zur Definition des Felds bereitstellt, obwohl sie Teil des Stromkreises ist.

  • Weder Spannung noch Potenzial sind den Sch vertraut. Ich gehe davon aus, dass die Fans des "Potenzials" beim Gleichstromkreis damit nur die Methode meinen und nicht wirklich das Wort Potenzial im Unterricht einführen wollen. Ich halte es jedenfalls für verfehlt, wenn ein unbekannter Begriff (wie Spannung) durch einen ebenso unbekannten anderen Begriff verständlich gemacht werden soll (wie Potenzial oder Druck). In Wirklichkeit geht es bei der Spannung um die (evtl. abstrakte) Verschiebungsarbeit an einer Probeladung.

  • Ähnlich ist es mit Druckmodellen. Sch wissen in der Regel nicht, was Druck ist, oft auch nicht Lehrer. Ich habe zudem den Eindruck, dass dabei Druck oft mit Teilchendichte verwechselt wird. Auch didaktische Veröffentlichungen zum "Frankfurter Elektronengas-Modell" verbalisieren sogar manchmal den Zusammenhang mit der Elektronendichte oder stellen sie durch eine Punktewolke dar.

  • Zwar ist es in der Schule vielfach üblich, die Spannung U (z.B. einer Batterie) über den Energietransport (W) beim Stromtransport (Q) (also bei fließenden Ladungen) einzuführen: U = W/Q. Aber es ist m.W. nicht üblich zu behaupten, dass das immer so gehe und so gemacht werden müsse (siehe Spannungsdifferenz zwischen Punkten im Raum zwischen den Kondensatorplatten; siehe Flammensonde). Die Frage der Spannung zwischen den Kontakten eines geöffneten Schalters, wenn also keine Energie transportiert wird, ist m.E. ein künstliches Problem, das sich die Didaktik selbst erschaffen hat.

  • Ohne Stromquelle (Batterie) gibt es beim Gleichstromkreis keine Spannungsabfälle und deshalb auch kein "Potenzial". Wie schafft sich die Stromquelle ihr "Potenzial"? Die Rolle der sich ausbildenden Oberflächenladungen dabei wurde schon oben besprochen. Der Schulversuch "elektrolytischer Trog" mit angefeuchtetem Papier zur Visualisierung eines "Potenzials" macht seine Entstehung durch einen Strom augenfällig.

  • Nicht immer gibt es in der Elektrizitätslehre ein Potenzial, z.B. nicht bei der Induktion in einer geschlossenen Induktionsschleife. Hier braucht man einen anderen Spannungsbegriff (Ringspannung), zu dem eine Wegunabhängigkeit nicht gegeben ist. Wie soll ein Schülerin oder ein Schüler dann eine Induktionsspannung*) verstehen, wenn Spannung nur im Sinne einer "Potenzial"differenz bekannt ist? Zwischen zwei, jeweils den gleichen, Punkten ist der Anteil der Induktionsspannung (Ringspannung) jeweils anders, je nach dem eingeschlossenen magnetischen Fluss, dessen Änderungsrate die gesamte Ringspannung bestimmt.

Wollte man - umgekehrt - die Vorgänge beim Skilift mit Hilfe (von Kenntnissen) des Gleichstromkreises plausibel machen, müsste man absurderweise ein Modell konstruieren, nach dem der Skilift das Gravitationsfeld oder gar den Berg erst erschafft. Dieses Argument wirft ein bezeichnendes Licht auf alle didaktischen Versuche, die Rolle einer Batterie in Analogie zu einem Lift oder Förderband zu sehen.

Zusammenfassung:

1. Zum Verständnis eines Gleichstromkreises ist es notwendig, die zwei Aspekte "Spannung macht Strom" (die Batteriespannung nämlich) und "Strom macht Spannung" (nämlich Spannungsabfälle) zu verstehen.

2. Der Versuch, das elektrische Feld beim Gleichstromkreis allein durch ein Potenzial erklären zu wollen, führt zu einem Widerspruch mit der Realität.

3. Der "Potenzial"begriff ist m.E. nicht notwendig oder hilfreich zum Verständnis des Gleichstromkreises und verbaut ein Verständnis der Induktion. Es genügt vielmehr die Tatsache, dass zwischen zwei Punkten im Stromkreis eine (weitgehend) eindeutige Spannung herrscht, der Spannungsabfall.

4. Eine Analogie zwischen einer Batterie im Gleichstromkreis und einem Lift im Gravitationsfeld ist sehr problematisch, da die Batterie ihr "Potenzial" beim Einschaltvorgang erst mit Hilfe von Oberflächenladungen schafft, während das Gravitationsfeld ohne Lift als Potenzialfeld vorgegeben ist. Das Gravitationspotenzial    existiert ohne Lift, "Potenzial" im Stromkreis entsteht erst durch die Batterie.

5. Anders als z.B. beim Gravitationsfeld, wo ein Potenzial existiert, kann man dem "Potenzial" im Gleichstromkreis keine Wirkung zuschreiben. Es ist vielmehr eine Folge der Batterie und der Kontinuitätsgleichung für den Strom, wobei die stationären Oberflächenladungen bei der Ausbildung und räumlichen Struktur des "Potenzials" während des Einschaltvorgangs eine wichtige Rolle spielen. Ladungen fließen nicht, weil ein "Potenzial" vorhanden ist, sondern ein "Potenzial" ist gegeben, weil Ladungen geflossen sind.

Im weiteren Sinn: Die Elektrodynamik ist eine "konsistente" Theorie, bei der sich verschiedene Aspekte gegenseitig bedingen.

6. Die "offizielle" Definition der Spannung als "Verschiebungsarbeit pro Ladungseinheit" genügt m.E. zum Verständnis der Spannung und ist Analogien wie Druck- oder Stäbchen-Modellen überlegen. Die Verschiebungsarbeit selbst kann evtl. als Energieänderung plausibel gemacht werden. Für eine erste Einführung zur Rolle der Batterie reicht m.E. die Analogie zu einer Pumpe. Der Spannung entspricht dann so etwas wie ihre "Pumpenstärke".

7. Eine Spannung lässt sich im Kondensator als Potenzialdifferenz definieren. Bei der Induktion in einer geschlossenen Leiterschleife existiert jedoch kein Potenzial. Hier braucht man eine Ringspannung.


1 Früher - vielleicht auch heute noch - hat man einen Trick angewandt, um dem Problem einer Ringspannung bei der "Induktion im ruhenden Leiter" (?!) zu entgehen. Man betrachtete nur eine offene Spule und die Induktionsspannung sollte die (gewöhnliche) Spannung zwischen den (nicht verbundenen) Anschlüssen sein. In der Tat wird so die ursprüngliche Induktionsspannung in eine gewöhnliche Spannung umgewandelt. Das ist aber ein zusätzliches Geschehen nach der eigentlichen Induktion. Die tatsächlich primär entstandene Ringspannung hätte man auch durch den Spannungsabfall infolge des ringförmigen Induktionsstrom im geschlossenen Induktionskreis nachweisen können.

2 Bei einer geschlossenen Induktionsschleife entsteht durch einen sich ändernden magnetischen Fluss primär ein elektrisches Wirbelfeld, also kein Potenzialfeld. Auch hier gilt "Strom macht Spannung":  Mit dem Wirbelfeld verknüpft ist nämlich eine Ringspannung. Ihre Folge ist ein dem (gesamten) Kreiswiderstand entsprechender Strom I. An Teilwiderständen ΔR ruft er Spannungsabfälle ΔU = I·ΔR hervor. Sie sind bei eindeutigem ΔR und I und eingeschlossenem magnetischen Fluss eindeutig, wie im Gleichstromkreis. Trotzdem hat es keinen Sinn, von einem "Potenzial" zu sprechen, u.a. auch deshalb nicht, weil sich kein Punkt als Potenzialnullpunkt anbietet. Die Entstehung des elektrischen Wirbelfelds ist der Kern der Induktion.

3 Auch in der Thermodynamik gibt es Potenziale, die ohne Verschiebungsarbeit definiert werden, aber wesentlich mit der Wegunabhängigkeit im übertragenen Sinn bei Verschiebungen zusammenhängen.


nach W. Panofsky, M. Phillips, Classical electricity and magnetism, Addison-Wesley Publishing Company, 2. Auflage 1962, S. 118 - 122

( September 2025 )