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Stichwort |
Der Skilift im Potenzialfeld
der Erde - Vergleich mit dem "Potenzial" beim Stromkreis |
1. Vorbemerkung: In älteren
Lehrbüchern der Elektrodynamik kann man
nachlesen, dass es beim Gleichstromkreis kein
Potenzial geben kann, das die Vorgänge beim Gleichstrom
vollständig beschreibt. Physikalischer Grund ist, dass ein Potenzialfeld
nicht die benötigte Energie heranschaffen kann.
Auch die Rolle von Oberflächenladungen wird dort manchmal diskutiert.
2. Vorbemerkung: Das elektrische Potenzialfeld zwischen den Platten eines geladenen Kondensators
In einem geladenen Kondensator mit Plattenabstand d besteht ein elektrisches Feld, idealisiert als homogenes Feld mit dem Betrag der Feldstärke E = D/ε, wobei D = Q/A die Flächenladungsdichte ist. Damit hängt die angelegte Spannung U (Q = C·U) zusammen. Ein freies Elektron wird in das elektrische Feld zwischen den Platten gebracht. Dieses ist ein Potenzialfeld, d.h. die Verschiebungsarbeit an diesem Elektron in seinem Inneren ist für einen geschlossenen Rundweg immer 0. Man kann jedem Punkt ein eindeutiges Potenzial Φ(x) zuordnen, das eine Funktion des Ortes x ist.
Dazu betrachtet man Verschiebungen einer Probeladung, die
so langsam erfolgen, dass quasi keine kinetische Energie entsteht.
Sie soll so klein sein, dass das Feld durch sie nicht
verändert wird.
Die Verschiebung soll von einem beliebigen
Punkt A zu einem Punkt P und wieder zurück zu A (beide
Punkte im Inneren des Kondensators) erfolgen. Die aufzuwendende
Verschiebungsarbeit von A zu diesem Punkt P ist von gleichem Betrag
wie die zu gewinnende Verschiebungsarbeit von dort zurück zum
Ausgangspunkt A. Das Potenzial an diesem Ort P (im Vergleich
zu A) wird dann definiert als Verschiebungsarbeit pro Ladungseinheit
(bzgl. A). A heißt dann Potenzialnullpunkt. Zwischen zwei beliebigen
Punkten A und P im Inneren besteht dann eine
Potenzialdifferenz, die auch als Spannung zwischen diesen Punkten
bezeichnet wird.
Vor wenigen Jahrzehnten hat man diese Spannung im Leistungskurs Physik noch aufwändig mit einer Flammensonde gemessen.
Entscheidend ist: Diese Spannung wird definiert mit einer (abstrakten) Verschiebungsarbeit, die - wenigstens in Gedanken - durch eine beliebige äußere Kraft verrichtet wird. Dazu werden keine fließenden Ladungen benötigt.
Nun zum Problem des Skilifts:
Kräfte können in vielen Fällen auch sonst von einem Potenzialfeld abgeleitet werden. Ja, um einen bestimmten Fall von Kräften zu behandeln, wurde das Potenzialfeld erfunden. In einem reinen Gravitationsfeld mit einem Potenzial Φ(x) = g·x folgt z.B. für die Gewichtskraft G = m·g = - m·grad(Φ) (Koordinatenachse x radial vom Zentrum weg, an einem festen Punkt der Erdoberfläche "nach oben").
Das Potenzial ist definiert über die Verschiebungsarbeit W: um mit Hilfe einer äußeren Kraft einen Körper der kleinen Masse m vom Potenzialnullpunkt A zu einem Punkt P mit der Höhenkoordinate x ohne Zufuhr von kinetischer Energie zu verschieben, muss die Arbeit W = m·g·x aufgewendet werden, bezogen auf die Masseneinheit also die Verschiebungsarbeit Φ = W/m = g·x. Sie wird Potenzial Φ am Punkt P genannt, aber nur, weil diese Verschiebungsarbeit W unabhängig vom Weg ist, auf dem die Verschiebung erfolgt.
Man verwendet wieder eine Probemasse m, die so klein sein soll, dass das Feld durch sie nicht verändert wird.
Die Wegunabhängigkeit ist im reinen Gravitationsfeld sicher gegeben,
da andernfalls auf einem bestimmten Rundweg vom Potenzialnullpunkt zum
betrachteten Punkt und wieder zurück zum Potenzialnullpunkt Energie
gewonnen werden könnte, was nicht der Fall ist. Die Existenz eines
Potenzials hängt also eng mit dem Energieerhaltungssatz zusammen. Andernfalls
kann die Verschiebungsarbeit keine Funktion des Orts allein sein,
gibt es keine potentielle Energie und kein Potenzial, weil es
mindestens einen Weg gibt mit abweichender Verschiebungsarbeit
zwischen A und P 2 .
Die Verschiebung kann durch eine beliebige (abstrakte) äußere Kraft bewirkt werden, die gerade so ist, dass sie der Gewichtskraft entgegengesetzt gleich ist, sie aufhebt, so dass sie also keine Beschleunigung und Änderung der kinetischen Energie an der Masse bewirkt. Entsprechend beim Rückweg. 3
Wenn sich ein Sportler im Gravitationsfeld in
einer bestimmten Höhe befindet, hat er potentielle Energie (woher
auch immer). Ein Skilift kann dem Sportler der Masse m (also mit
einer äußeren Kraft) potenzielle Energie zuführen, die er durch
Beschleunigung beim Abfahrtslauf und Reibung wieder abgibt. Die
Kräfte können aus 2 Gründen nicht aus einem Potenzialfeld stammen:
erstens, weil von außen Energie zugeführt wird (z.B. elektrische
beim Lift) und zweitens, weil durch Reibung nach einiger Zeit die
zugeführte Energie wieder entzogen wird. Man kann sich aber die
Kräfte aufgeteilt denken in Kräfte aus einem reinen Potenzialfeld
und zwei Sorten anderer Kräfte (Elektrizität und Reibung). Der
Potenzialkraft-Anteil kann z.B. genutzt werden, um die Umwandlung
von potentieller in kinetische Energie bei der Abfahrt zu
beschreiben (und zu berechnen), eventuell sogar mit Reibung. Und es
ist sogar möglich, für den Sonderfall konstanter
Abwärtsgeschwindigkeit (vgl. Fallkegelversuch!) diese zu berechnen
(z.B. m·g = cR·v). Entscheidend ist, dass
das Potenzialfeld ohne Lift und Reibung vorhanden ist.
Braucht man dazu Potenzial? Wozu ist das Konzept vom Potenzial hier nützlich?
Braucht man eigentlich in der Schule beim Gleichstromkreis den physikalischen Potenzialbegriff, der an die Wegunabhängigkeit gebunden ist? Braucht man nicht eigentlich nur die Tatsache, dass in der Regel zwischen zwei Punkten auf den Leitern die gleiche Spannung zu messen ist, ganz gleich, wie man die Kabel verlegt, mit denen man das Messgerät mit diesen Punkten verbindet? Diese Spannung heißt traditionell Spannungsabfall. Dass es Kabelverläufe (durch die Stromquelle) gibt, die - wenigstens im Prinzip - zu einem anderen Ergebnis führen könnten (und die Potenzialeigenschaft verhindern würden), ist ein Ausnahmefall. Nur der Regelfall muss in der Schule erklärt werden.
Hier zeigt sich ein weiterer Defekt gegenwärtiger Didaktik: Es wird in der Regel nur eine Kausalität zwischen Spannung (der Batterie; Ursache) und Strom (Stromstärke; Wirkung) behauptet und übersehen, dass auch der Strom (die Stromstärke) die Ursache für Spannungen ist (der Spannungsabfälle). Für die Schule formuliert, habe ich immer "Spannung macht Strom" (nämlich die Batteriespannung) und "Strom macht Spannung" (nämlich die Spannungsabfälle) nebeneinander gestellt.
Hier kommen endlich die (manchmal missverstandenen) "Oberflächen"ladungen (inkl. Raumladungen an Grenzflächen im Leiter) herein, die sich der Strom während des (in der Schule nicht zu behandelnden) Einschaltvorgangs schafft. Nach dem Einschaltvorgang sind durch die Oberflächenladungen in (und um) den Leitern solche Felder entstanden, dass die beobachteten Spannungsabfälle bzw. das vermeintliche "Potenzial" (in mancher Didaktik) entstanden ist. Mit einem Gas haben diese Oberflächenladungen nichts zu tun. Sie sind nach dem Einschaltvorgang stationär (unbeweglich) und nehmen - einmal gebildet - nicht mehr am Stromtransport teil. Sie bilden sich so aus, dass die Kontinuitätsgleichung für den Strom erfüllt ist. Nachdem dies geschehen ist, kann man jedem Punkt in den Leitern eine (weitgehend) eindeutige Spannung gegenüber einem Vergleichspunkt zuordnen, wie bei einem Potenzial.
Wenn in diesem Text vom physikalischen Potenzial gesprochen wird, wird die übliche Schreibweise verwendet. Wenn dagegen das "Potenzial" in mancher Didaktik gemeint ist, wird das Wort mit Anführungszeichen geschrieben.
Vergleich mit dem Gleichstromkreis:
Wollte man - umgekehrt - die Vorgänge beim Skilift mit Hilfe (von Kenntnissen) des Gleichstromkreises plausibel machen, müsste man absurderweise ein Modell konstruieren, nach dem der Skilift das Gravitationsfeld oder gar den Berg erst erschafft. Dieses Argument wirft ein bezeichnendes Licht auf alle didaktischen Versuche, die Rolle einer Batterie in Analogie zu einem Lift oder Förderband zu sehen.
Zusammenfassung:
1. Zum Verständnis eines Gleichstromkreises ist es notwendig, die zwei Aspekte "Spannung macht Strom" (die Batteriespannung nämlich) und "Strom macht Spannung" (nämlich Spannungsabfälle) zu verstehen.
2. Der Versuch, das elektrische Feld beim Gleichstromkreis allein durch ein Potenzial erklären zu wollen, führt zu einem Widerspruch mit der Realität.
3. Der "Potenzial"begriff ist m.E. nicht notwendig oder hilfreich zum Verständnis des Gleichstromkreises und verbaut ein Verständnis der Induktion. Es genügt vielmehr die Tatsache, dass zwischen zwei Punkten im Stromkreis eine (weitgehend) eindeutige Spannung herrscht, der Spannungsabfall.
4. Eine Analogie zwischen einer Batterie im Gleichstromkreis und einem Lift im Gravitationsfeld ist sehr problematisch, da die Batterie ihr "Potenzial" beim Einschaltvorgang erst mit Hilfe von Oberflächenladungen schafft, während das Gravitationsfeld ohne Lift als Potenzialfeld vorgegeben ist. Das Gravitationspotenzial existiert ohne Lift, "Potenzial" im Stromkreis entsteht erst durch die Batterie.
5. Anders als z.B. beim Gravitationsfeld, wo ein Potenzial existiert, kann man dem "Potenzial" im Gleichstromkreis keine Wirkung zuschreiben. Es ist vielmehr eine Folge der Batterie und der Kontinuitätsgleichung für den Strom, wobei die stationären Oberflächenladungen bei der Ausbildung und räumlichen Struktur des "Potenzials" während des Einschaltvorgangs eine wichtige Rolle spielen. Ladungen fließen nicht, weil ein "Potenzial" vorhanden ist, sondern ein "Potenzial" ist gegeben, weil Ladungen geflossen sind.
Im weiteren Sinn: Die Elektrodynamik ist eine "konsistente" Theorie, bei der sich verschiedene Aspekte gegenseitig bedingen.
6. Die "offizielle" Definition der Spannung als "Verschiebungsarbeit pro Ladungseinheit" genügt m.E. zum Verständnis der Spannung und ist Analogien wie Druck- oder Stäbchen-Modellen überlegen. Die Verschiebungsarbeit selbst kann evtl. als Energieänderung plausibel gemacht werden. Für eine erste Einführung zur Rolle der Batterie reicht m.E. die Analogie zu einer Pumpe. Der Spannung entspricht dann so etwas wie ihre "Pumpenstärke".
7. Eine Spannung lässt sich im Kondensator als Potenzialdifferenz definieren. Bei der Induktion in einer geschlossenen Leiterschleife existiert jedoch kein Potenzial. Hier braucht man eine Ringspannung.
1 Früher - vielleicht auch heute noch - hat man einen Trick angewandt, um dem Problem einer Ringspannung bei der "Induktion im ruhenden Leiter" (?!) zu entgehen. Man betrachtete nur eine offene Spule und die Induktionsspannung sollte die (gewöhnliche) Spannung zwischen den (nicht verbundenen) Anschlüssen sein. In der Tat wird so die ursprüngliche Induktionsspannung in eine gewöhnliche Spannung umgewandelt. Das ist aber ein zusätzliches Geschehen nach der eigentlichen Induktion. Die tatsächlich primär entstandene Ringspannung hätte man auch durch den Spannungsabfall infolge des ringförmigen Induktionsstrom im geschlossenen Induktionskreis nachweisen können.
2 Bei einer geschlossenen Induktionsschleife entsteht durch einen sich ändernden magnetischen Fluss primär ein elektrisches Wirbelfeld, also kein Potenzialfeld. Auch hier gilt "Strom macht Spannung": Mit dem Wirbelfeld verknüpft ist nämlich eine Ringspannung. Ihre Folge ist ein dem (gesamten) Kreiswiderstand entsprechender Strom I. An Teilwiderständen ΔR ruft er Spannungsabfälle ΔU = I·ΔR hervor. Sie sind bei eindeutigem ΔR und I und eingeschlossenem magnetischen Fluss eindeutig, wie im Gleichstromkreis. Trotzdem hat es keinen Sinn, von einem "Potenzial" zu sprechen, u.a. auch deshalb nicht, weil sich kein Punkt als Potenzialnullpunkt anbietet. Die Entstehung des elektrischen Wirbelfelds ist der Kern der Induktion.
3
Auch in der Thermodynamik gibt es Potenziale, die ohne
Verschiebungsarbeit definiert werden, aber wesentlich mit
der Wegunabhängigkeit
im übertragenen Sinn bei
Verschiebungen zusammenhängen.
nach W. Panofsky, M. Phillips, Classical electricity and magnetism,
Addison-Wesley Publishing Company, 2. Auflage 1962, S. 118 - 122
( September 2025 )