G81 Poisson-Verteilung |
Eine Poisson-Verteilung liegt vor, wenn bei sehr
großen möglichen Teilchenzahlen (Versuchen ) n (n => ∞)
die gemessene Teilchenzahl k folgender Verteilung genügt:
N ist dabei der Erwartungswert für die Teilchenzahl k, n·P(k) die Anzahl der Fälle, in denen eine Teilchenzahl k auftritt, bei n Versuchen. Die Besonderheit dieser Verteilung ist, dass die mittlere quadratische Abweichung oder Streuung σ in einfacher Weise mit dem Erwartungswert N zusammenhängt:
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Grob 2/3 aller Werte k sind also in einem Bereich von N -
σ bis N + σ zu finden (grün). Das ist bemerkenswert: Für
jeden beliebigen Eerwartungswert von N können Zählereignisse von 0 bis ∞
auftreten, wenn auch evtl. mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit! Selbst,
wenn N = 1 (oder noch kleiner), kann es manchmal
vorkommen, dass z.B. 3 Zählereignisse beobachtet werden!
Eine Poisson-Verteilung für die Teilchenzahlen k (in einem bestimmten Zeitabschnitt) ergibt sich bei der Beschreibung einer Laser-Mode oder eines Atom-Lasers, aber bereits die Zählstatistik eines klassischen elektromagnetischen Felds, das mit einem statistisch ansprechenden Zählers führt zu einer Poisson-Verteilung für die Zahl k der Ansprechereignisse.
Interessant ist das Zeitverhalten, das sich aus der Poisson-Verteilung ergibt (vgl. Nobelvortrag von R.J. Glauber):
Führt man die mittlere Zählrate (Teilchen pro Zeiteinheit) w ein, dann ist der Erwartungswert der Teilchenzahl im Zeitintervall t : N = w·t. Wir finden also in der Zeit t k Teilchen in n·P(k) Fällen:
P(k;t) = (w·t)k e-(w·t) / k! |
P(0;t) = e-w·t ist danach proportional zur Wahrscheinlichkeit, dass im Zeitintervall t kein Teilchen (k = 0) nachgewiesen wird. P(1;t) = w·t·e-w·t ist proportional zur Wahrscheinlichkeit für den Nachweis genau eines Teilchens und P(2;t) = (w·t)2 e-w·t/2 proportional zur Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von genau zwei Teilchen, jeweils im gleichen Zeitintervall t. Das wird unten nachgewiesen.
Diese Wahrscheinlichkeiten hängen offenbar nur von der Teilchenzahl, der mittleren Zählrate w und der Länge des jeweiligen Zeitintervalls t ab, nicht von der Vorgeschichte, also etwa davon, ob schon vorher ein Teilchen nachgewiesen wurde.*)
Das soll illustriert werden an der Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Situation, dass genau zwei Teilchen nachgewiesen werden sollen in einem Zeitintervall, das formal in zwei beliebige Teile der Längen t und t' aufgeteilt ist. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist einerseits (A) proportional zu P(2; t+t') = [w·(t+t')]2 e-w·(t+t')/2. Andererseits (B) setzt sich diese Wahrscheinlichkeit zusammen aus 3 unabhängigen Wahrscheinlichkeiten, nämlich, aus der Wahrscheinlichkeit P1, dass im Zeitintervall t genau zwei Teilchen und danach kein Teilchen nachgewiesen wird, der Wahrscheinlichkeit P2, dass im Zeitintervall t genau ein Teilchen und im Zeitintervall t' das zweite Teilchen gefunden wird, und der Wahrscheinlichkeit P3, dass alle 2 Teilchen im Intervall t' gefunden werden.
Nach der zweiten Methode (B), jeweils unter der Annahme, dass die Bemerkung *) richtig ist, erhalten wir:
P1 = P(2; t)·P(0,t') = [w·t]2
e-w·t /2 · e-w·t' =
[w·t]2/2 e-w·(t
+t')
P2 = P(1,t)·P(1,t') = w·t·e-w t · w·t'·e-w.t' = [w·(t+t')] e-w·(t +t') P3 = P(0,t)·P(2,t') = e-w t · [w·t']2 /2 e-w t' = [w·t']2/2 e-w·(t +t') |
Die Summe ergibt mit der binomischen Formel tatsächlich das erwartete Ergebnis, im Einklang mit der Bemerkung *).
Das wird manchmal so formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, ein weiteres Teilchen nach einer Zeit t nachzuweisen, ist unabhängig von der Vorgeschichte, oder plakativer: In diesem Fall "hat das System kein Gedächtnis" (über die vorausgehenden Vorgänge). Man sagt auch, "das System habe keine Geschichte". Dieses Verhalten erklärt die Ergebnisse des Hanbury-Brown/Twiss-Versuchs mit Photonen der kohärenten Strahlung. |
Die Poisson-Verteilung ergibt sich als Grenzwert einer Binomial-Verteilung mit n => ∞ . Sie setzt voraus, dass ein Ereignis A mit der Wahrscheinlichkeit p eintritt und das Gegenereignis A/ ("Nicht A") mit der Wahrscheinlichkeit 1-p. Man fragt dabei nach der Wahrscheinlichkeit b(k,n), dass bei einem n-stufigen Experiment das Ereignis A genau k-mal eintritt.
Ganz entsprechend soll jetzt die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis eines Teilchens im aufgeteilten Intervall der Länge t+t' überprüft werden. Einerseits wird erwartet:
P(1,t+t') = w·(t+t')·e-w·(t+t')
Andererseits setzt sich der Vorgang zusammen aus dem Nachweis des einen Teilchens im Intervall t (und keinem in t') und dem Nachweis des einen Teilchens im Intervall t' (und keinem in t), also mit der Bemerkung *):
P1 = w·t ·e-w·t
· e-w·t' = w · t · e-w·(t+t')
P2 = e-w·t · w·t' · e-w <· t' = w· t' · e-w·(t+t') |
Die Summe ergibt, wie erwartet, P(1,t+t') und ist wieder im Einklang mit der Bemerkung *).
Auch beim Zerfallsgesetz der Radioaktivität liegt eine ähnliche Situation vor. Die mittlere Zählrate w entspricht hier der Aktivität A. Die Anzahl der gemessenen Fälle in einem Zeitintervall t, bei denen sich die Teilchenzahl k ergab, ist Poisson-verteilt (mit dem Erwartungswert N für die gemessene Teilchenzahl):
P(k) = Nk·e-N/k! |
Gehen wir zu infinitesimal kleinen Zeitintervallen dt über. Mit der konstanten mittleren Zählrate (Anzahl der Ereignisse pro Zeiteinheit) w und der Wahrscheinlichkeit P(k;t), dass im Zeitraum t insgesamt k Teilchen gezählt werden, gibt w.dt die Wahrscheinlichkeit an, dass in dt ein Teilchen gezählt wird, und 1 - wdt die Wahrscheinlichkeit, dass in dt kein Teilchen gezählt wird. Daraus folgen die Beziehungen:
P(0; t + dt) = P(0;t)·(1 - w·dt) also P(0;t + dt) - P(0;t) = - P(0;t)·w·dt
P(k;t + dt) = P(k;t)·(1 - w·dt) + P(k-1;t)·w·dt = P(k;t) + [ P (k-1;t) - P(k;t) ]·w·dt , also
P(k;t + dt) - P(k;t) = [ P(k-1;t) - P(k;t) ]·w·dt
Durch Bilden der Differenzenquotienten und Übergang zu dt => 0 entsteht ein rekursives System von Differentialgleichungen:
P(0;t)' = - w·P(0;t)
P(k;t)' = - w·[ P(k;t) - P(k-1;t) ] . * *)
Dessen Lösung ist P(k;t) = (w·t)k ·exp( - w·t) / k!
Nachweis durch vollständige Induktion
1. Schritt
k = 0: P(0;t)' = - w·P(0;t) liefert direkt die Lösung P(0;t) = exp( - w·t) , also P(0;t) = (w·t)0 exp( - w·t) / 0! = exp( - w·t) ist offenbar richtig
2. Schritt: Die Lösung sei richtig bis k-1, also P(k-1;t) = (w·t)k -1 exp( - w·t) / (k-1)!
3. Schritt: Dann gilt mit **) :
also P(k;t)' = - w·P(k;t) + w·(w·t)k-1 exp( - w·t) / (k-1)!
da die Ableitung von [ (w·t)k / k! ] ist w·(w·t)k -1 / (k -1)! , gilt die Formel auch für k,
also P(k;t) = (w·t)k exp( -w·t) / k! ist damit für beliebiges k bewiesen.
.
Deswegen kann man zwar einen Laserstrahl durch Graufilter
soweit abschwächen, dass im Mittel N = 1 Photonen nachgewiesen werden,
obwohl in gleichen Zeitabschnitten manchmal 0, manchmal 3 oder mehr
Photonen erscheinen.
(Zeichensatz geändert 2013)