Würzburger Quantenphysik- Konzept

G 82 Was man m.E. als Lehrer der Quantenphysik an der Schule nicht tun sollte*):

missverständliche Sprechweisen  Grundfakten 

Lehrtext/Inhalt    Glossar  Versuchsliste

Nicht:

Wir wissen:

so tun, als sei ein Photon, Elektron, .... ein Zwitter zwischen einem Teilchen und einer Welle im Anschauungsraum (im Sinne des früheren Wellikels oder von wavicles) Ein Photon, Elektron, ... ist im Sinne der Quantentheorie ein Teilchen, weil es abzählbar ist. Zudem tritt es immer ungeteilt und unteilbar auf.

Aber es ist kein klassisches Teilchen. Es besitzt ja nicht alle klassisch denkbaren Eigenschaften gleichzeitig.

die Wellenpakete der Wellenfunktion, mit der man manche Einteilchen-Zustände tatsächlich beschreiben kann, im Anschauungsraum irgendwie konkretisieren (z.B. durch Wattebäusche) Eine Wellenfunktion stellt keine Welle im Anschauungsraum dar, sondern eine Welle im abstrakteren Konfigurationsraum. Lediglich im Fall eines Teilchens ist dieser, wenn man den Spin vernachlässigt, wie der Anschauungsraum dreidimensional.

M.E. sollte es ein wesentliches Ziel eines Quantenphysik-Kurses sein, den Schülern zu vermitteln, dass die in der Mikrophysik auftretenden Wellen nicht "real" sind, sondern nur eine Bedeutung haben für die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten.

davon reden, dass ein Photon, Elektron, ... je nach Versuchsanordnung sich wie ein Teilchen oder wie eine Welle "verhalte" In ein und derselben Versuchsanordnung kann das Teilchen modellmäßig einerseits wie ein Teilchen, andererseits wie eine Welle beschrieben werden.

Es "verhält sich" aber nicht so, sondern die auftretenden Messwerte können so und/oder so oder gar in beiden Modellen anschaulich beschrieben werden. Das angebliche "Verhalten" ist demnach mehr eine Frage der Zweckmäßigkeit, welches Modell der Physiker für geeigneter hält zur anschaulichen Beschreibung, oder welche Art von Frage er im Experiment an die Natur gerichtet hat.

Im Sinne der Quantenphysik ist ein Photon, Elektron, ... immer ein Teilchen, wenn auch kein klassisches.

behaupten, dass "Wellen-" oder "Teilchenverhalten" sich gegenseitig ausschließen oder Gegensätze zueinander seien Um das "Verhalten" geht es offenbar gar nicht. Bei einem Doppelspalt-Versuch z.B. verschwindet bei einer Welcher-Weg-Messung die Interferenz vom Doppelspalt (populärwissenschaftlich sagen dann manche, das "Teilchenverhalten" sei verschwunden); die Interferenz vom Einfachspalt bleibt bestehen, solange nicht der Weg des Teilchens durch jeden der Einfachspalte untersucht wird. (Populärwissenschaftlich sagen dann wieder manche, das "Wellenverhalten" sei insofern noch beobachtbar).
behaupten, dass es ein "Verhalten" von Photonen, Elektronen, ... gäbe (unabhängig von einer Frage an die Natur in Form eines Experiments) Ohne eine Messung haben Quantensysteme keine be-stimmten Eigenschaften. Erst, wenn eine Frage an die Natur in Form eines Experiments gerichtet wird, antwortet die Natur darauf mit be-stimmten Messwerten.
missverständliche Sprechweisen gebrauchen wie vom "Wellencharakter" oder "Teilchencharakter" eines Photons, Elektrons, ... Es handelt sich offenbar nicht um "Charaktere" der Mikroobjekte, sondern um nicht notwendige, vielleicht zweckmäßige Modelle zu ihrer qualitativen Beschreibung. Gemeint ist, dass man in bestimmten Situationen zu diesem Zweck eher das Teilchen- in anderen eher das Wellenmodell anwenden kann.
die missverständliche Sprechweise benutzen, dass ein Photon, Elektron, ... am Doppelspalt "mit sich selbst interferiere" Gemeint ist, dass bereits ein einzelnes Teilchen Ein-Teilchen-Interferenz liefern kann, wenn eine Konkurrenz nicht unterschiedener Möglichkeiten vorhanden ist.

Beim Gebrauch der Sprechweise hat man irgendwie die vermeidbare Vermutung im Hinterkopf, dass man für Interferenz Wellen brauche, auch im Fall von einem einzelnen Teilchen. Wir wissen, dass die Konkurrenz ununterschiedener Möglichkeiten der fundamentalere Grund für Interferenz ist.

behaupten, dass ein Photon, Elektron, ...  sowohl  Teilchen- als auch Wellencharakter habe (Sowohl-als auch-Konzept) Gemeint ist, dass das Teilchen kein klassisches Teilchen ist, dass man vielmehr die Wahrscheinlichkeitsaussagen über den Ausgang von Messungen mit Hilfe von Wellenfunktionen in einem abstrakten vieldimensionalen Konfigurationsraum berechnen kann.
behaupten, dass der Grund für die HUR in irgendwelchen mechanischen Stößen liege, durch die bei einem Messprozess das zu vermessende Teilchen "gestört" werde Das angesprochene klassische Modell vom Messvorgang diente historisch dazu, die Heisenbergsche Un-be-stimmtheitsrelation klassisch plausibel zu machen. Man behauptete dabei, dass durch den Messvorgang (z.B. "Elektronenbeleuchtung") eine klassische "Störung" des Quantenobjekts erfolge, die frühere Messwerte ungültig mache. Das Modell hat  historisch zur Akzeptanz der HUR beigetragen, aber auch zur tieferen experimentellen Klärung von Situationen ohne "Störung". Im hypothetischen Englert-Scully-Walther-Experiment wird z.B. gezeigt, dass ein Welcher-Weg-Experiment auch dann Interferenz verhindert, wenn eine solche "Störung" wirklich vernachlässigbar ist.

Wir wissen, dass der Grund für die HUR die nicht-gleichzeitige Existenz aller klassisch denkbarer Eigenschaften eines Quantenobjekts ist. Seit den dreißiger Jahren  wird deshalb die HUR üblicherweise hergeleitet aus der nicht-gleichzeitigen Messbarkeit von zwei komplementären Messgrößen und nicht mehr mit Hilfe von klassischen ("Störungs-")Modellen.

von Elektronenwolken (Ladungswolken) um den Atomkern oder "verschmierten" Elektronen reden Solche Sprechweisen stammen aus der Frühzeit der Quantenphysik, als die Quantentheorie noch nicht etabliert war, oder noch gar nicht existierte. In der klassischen Schrödinger-Theorie vor Entstehung der Quantenmechanik wurde wirklich fälschlicherweise angenommen, dass ein Elektron zugleich eine Welle (im Anschauungsraum) sei, die man durch Elektronenwolken veranschaulichte. Im Glossar werden einige Gründe dargelegt, weshalb mit Entstehung der Quantenmechanik (ab 1926) diese Vorstellung aufgegeben werden musste.
von einer tatsächlichen Ablenkung, Richtungsänderung oder Impulsänderung eines Teilchens beim Durchtritt durch einen Doppelspalt reden Solche klassischen Vorstellungen müssen aufgegeben werden, weil Quantenobjekte nicht alle klassisch denkbaren Eigenschaften gleichzeitig besitzen. Es ist nicht nur so, dass wir den Weg der Teilchen durch den Doppelspalt nicht kennen, sondern der Begriff eines solchen Weges ist sinnlos ("es gibt keinen Weg").
einen angeblichen Konflikt zwischen  einem Wellen- und einem Teilchenverhalten herbeireden Dahinter steht die Tatsache, dass es in der Quantenphysik Teilchen (z.B. Photonen, Elektronen, ... ) gibt, die aber keine klassischen Teilchen sind.

Wahrscheinlichkeitsaussagen über zukünftige Messergebnisse können mit Wellen im abstrakten Konfigurationsraum beschrieben werden; das wird in der Schrödinger-Theorie gemacht. Es gibt aber andere, gleichwertige Formalismen, die überhaupt ohne Wellen auskommen (z.B. Heisenberg-Bild).

behaupten, dass die klassische Wellenlehre ein Teil der Quantenphysik sei Die Berührungspunkte zwischen der klassischen Wellenlehre (mit Wellen im Anschauungsraum) und der Quantentheorie sind ziemlich selten. Die kohärenten Zustände eines Lasers, stellen ein solches Beispiel dar, vielleicht auch bestimmte Atomlaser, ebenfalls bestimmte kohärente Schwingungen von Molekülen oder Festkörpern ("kohärente Phononen"). Solche Zustände sind Zustände mit un-be-stimmter Teilchenzahl. Sie kommen klassischen Wellen bei großer Teilchenzahl recht nahe. Ihr Verständnis dürfte außerhalb der schulischen Möglichkeiten liegen.

M.E. sollte es gerade ein Ziel des Unterrichts sein, zu vermitteln, dass die sonst in der QP auftretenden Wellen (eben abstrakte Wellen in abstrakten Konfigurationsräumen) nur zu Wahrscheinlichkeitsaussagen taugen und nur in den Köpfen der Physiker existieren.

behaupten, dass es eine Entsprechung gäbe zwischen einem angeblichen "Wellen- und Teilchencharakter" von Licht und einem angeblichen "Wellen- und Teilchencharakter" von Elektronen oder einem Elektron Abgesehen, dass m.E. das Wort "Charakter" in diesem Zusammenhang nicht verwendet werden sollte, werden hier nicht vergleichbare Dinge verglichen:

Licht ist das "Gesamtphänomen", wobei noch offen ist, ob bei Licht Teilchenzustände betrachtet werden sollen (Fock-Zustände mit be-stimmter Teilchenzahl) oder kohärente Zustände (wie im Laser) mit un-be-stimmter Photonenzahl. Die letzteren Zustände kommen klassischen Wellen am nächsten, an die vielleicht ein Schüler denkt, wenn vom "Wellencharakter" gesprochen wird. Die Gleichsetzung von Licht mit Photonen ist hier also nicht möglich.

Spricht man dagegen von einem Elektron oder von vielen Elektronen, dann hat man sich entschieden, von Teilchenzuständen mit be-stimmter Teilchenzahl zu reden. Klassische Wellen haben dann keinerlei Sinn.

die Frage stellen: "Licht : Welle oder Teilchen ?" Bereits sprachlich geht das nicht: Licht kann zwar in einer gewissen Näherung durch eine Welle beschrieben werden, aber durch ein Teilchen bestimmt nicht!

Und wie wir seit Glauber (1963) wissen, auch nicht durch beliebig viele Teilchen. Seit Glauber (Nobelpreis 2005) wissen wir, dass eine klassische Lasermode am ehesten durch einen kohärenten Zustand beschrieben werden kann mit un-be-stimmter Zahl von Photonen.

*) Auch Physiker benutzen manchmal solche Sprechweisen als Kurzfassung für einen komplexeren Sachverhalt, wobei anzunehmen ist, dass ihnen der tatsächliche Sinn der Aussagen bewusst ist.

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(kontrolliert 2013)