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© Horst Hübel Würzburg 2005 - 2015

Gegendarstellung zum Wikipedia-Artikel "Elektromagnetische Induktion"

Spannung und Ringspannung - eine Analyse

vor allem im Zusammenhang mit der Induktion

Die Ringspannung (Umlaufspannung) im Unterschied zur gewöhnlichen Spannung ist ein wichtiger Begriff im Zusammenhang mit der elektromagnetischen Induktion. Eine weitere - weniger bedeutsame - Anwendung findet er im Zusammenhang mit einem Gleichstromkreis mit einer Batterie. Es werden hier einige Dinge richtig gestellt, die m.E. im Wikipedia-Artikel Elektromagnetische Induktion (in der Version von Sept. 2012) nicht korrekt dargestellt sind. Einen Vorschlag, wie diese Erkenntnisse in den Physik-Unterricht der Schule einfließen könnten, finden Sie hier oder hier.

1. Spannung in einem Potenzialfeld

In einem Kondensator herrsche ein homogenes elektrisches Feld, gerichtet von der positiven zur negativen Platte. Bei der Verschiebung einer positiven Probeladung  (q > 0) in Richtung von der negativen zur positiven Platte muss (positive) Verschiebungsarbeit aufgewendet werden. Diese ist nur abhängig von den beiden Abständen von einer der Platten, nicht vom Weg, auf dem die Verschiebung erfolgt. Wenn das - wie hier - der Fall ist, spricht man allgemein von einem Potenzialfeld.

Die Verschiebung soll ohne Zufuhr von kinetischer Energie erfolgen, d.h. sie soll so geschehen, dass die Ladung (quasi) nicht beschleunigt wird. Das ist dann der Fall, wenn die externe verschiebende Kraft Fext entgegengesetzt gleich zur Kraft F ist, die das elektrische Feld auf die Probeladung q ausübt (nur ein Überschuss könnte auch beschleunigen). Es gilt dann für die Verschiebungsarbeit der Ladung von einem Punkt 1 zu einem Punkt 2, deren Abstand von den Platten sich um eine Strecke d unterscheidet (wenn z.B. die Probeladung entgegengesetzt zur elektrischen Feldstärke E verschoben wird):

W12 = ∫ von 1 bis 2 (Fext·ds) = - ∫ von 1 bis 2 (F·ds) = - q · ∫ von 1 bis 2 (E·ds) = q·E·d > 0

.

Für die Definition der Spannung gibt es zwei unterschiedliche Konventionen. Zur Erzielung einer konsistenten Formulierung wird hier die meist übliche Konvention 2 angewandt. Der Leser sollte auf die Unterscheidung nicht allzuviel Energie aufwenden.
Abb. 1:

Nach Konvention 1 ist die Spannung U12 am positiven Pol im Vergleich zum negativen Pol positiv! Eine äußere Kraft muss für die Verschiebung von 1 nach 2 positive Arbeit verrichten.

U12  nach Konvention 1 wird von einem Spannungsmesser richtig angezeigt, wenn sein Massepol (COM) mit dem Minuspol verbunden wird.

Konvention 1: Definiert man als Spannung am Punkt 2 in Vergleich zu Punkt 1 (also U12) die für die Verschiebung benötigte Verschiebungsarbeit pro Ladungseinheit, also

U12 = W12/q = E·d

erhält man eine positive Spannung, wenn der Endpunkt der Verschiebung näher an der positiven Platte  liegt.

Verschiebt man in gleicher Weise von irgendeinem Punkt x0 zu einem Punkt x, dann muss man die Arbeit W0x = q·E·(x - x0) aufwenden. Definiert man ein Potenzial Φ (Fi) als Verschiebungsarbeit pro Ladungsmenge, also Φ(x) = W0x/q = E·(x - x0), so entspricht die Spannung U12 der Potenzialdifferenz Φ(x2) - Φ(x1): Wenn am Zielpunkt x2 ein höheres Potential herrscht als am Ausgangspunkt x1, ist die Spannung am Zielpunkt im Vergleich zum Ausgangspunkt positiv.

Spannung als Verschiebungsarbeit pro Ladungsmenge gilt allgemein, der Zusammenhang mit der Potenzialdifferenz nur, wenn die Verschiebung wegunabhängig ist, wenn also ein Potenzialfeld vorliegt.

Konvention 2: Es ist meistens üblich, das Vorzeichen der Spannung umgekehrt zu wählen, also U12 = Φ(1) - Φ(2). Dann ist die Spannung am Punkt 2 im Vergleich zum Punkt 1 die Arbeit pro Ladungsmenge, die das Feld verrichtet bei einer Verschiebung von 1 nach 2. Im elektrischen Feld gilt dann also U12 =∫ von 1 bis 2 (E·ds) .

Abb. 2:

Nach Konvention 2 ist die Spannung U12 am positiven Pol im Vergleich zum negativen Pol negativ! Das Feld verrichtet negative Arbeit, d.h. es muss von außen positive Arbeit zugeführt werden, wenn es eine positive Probeladung von der negativen zur positiven Platte verschiebt.

Die Spannung U21 am negativen Pol ist dann im Vergleich zum positiven Pol positiv.

U21 nach Konvention 2 wird von einem Spannungsmesser richtig angezeigt, wenn sein Massepol (COM) mit dem Minuspol verbunden wird.

Wir wollen im Folgenden gemäß Konvention 2 vorgehen. In einem Plattenkondensator ist das elektrische Feld von + nach - gerichtet. Legt man den Potenzialnullpunkt auf die negative Platte, hat die positive Platte positives Potenzial (eine äußere Kraft muss positive Arbeit verrichten, um eine positive Probeladung von der negativen zur positiven Platte zu verschieben. Dagegen hat die negative Platte im Vergleich zur positiven Platte positive Spannung (im Sinne der Konvention 2), weil das Feld für die Verschiebung einer positiven Probeladung von der positiven zur negativen Platte positive Arbeit verrichtet, also Arbeit/Energie nach außen abgibt.

Welche Konvention tatsächlich verwendet wird, ist weitgehend belanglos. Man sollte nur konsequent bei einer bleiben. In der Praxis misst man Spannungen mit dem Voltmeter. Erhält man einen positiven Ausschlag, weiß man auf jeden Fall, dass der Masse-Anschluss (COM) mit dem negativen Pol der Spannungsquelle verbunden ist, der andere mit dem positiven. Dass man nach der einen Konvention U12 gemessen hat, nach der anderen U21, ist recht belanglos. Das ist wohl der Grund, weshalb in den meisten Büchern zwar beim Potenzial auf die Reihenfolge geachtet wird, dass es aber bei der Spannung meistens nur heißt "Spannung zwischen ... ".

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2. Ringspannung

Wenn kein Potenzialfeld vorliegt, wenn also die Spannung wegabhängig ist, gibt es Situationen, wo eine Verschiebungsarbeit aufgewendet werden muss für eine Verschiebung von einem Punkt auf einem Umweg zum gleichen Punkt zurück. Eine solche Situation liegt bei der Induktion vor. Es ist naheliegend, hier eine Ringspannung (oder Umlaufspannung) analog zu definieren durch die Verschiebungsarbeit W für einen vollen Umlauf:  

URing = W/q = ∫0 (F·ds) / q . Dabei ist F die Kraft, die das elektromagnetische Feld auf die Ladung ausübt ( ∫0 : Ringintegral über einen geschlossenen Weg).

Wenn nur ein elektrisches Feld vorliegt, folgt daraus sogar

URing = q · ∫0 (E·ds) / q = ∫0 (E·ds)  

Offenbar ändert sich das Vorzeichen der Ringspannung mit dem Umlaufssinn. Mit der Wahl des Umlaufssinns ist also eine gewisse Willkür verbunden. Wie die gewöhnliche Spannung hat die Ringspannung die Einheit 1 V.

Wenn diese Ringspannung von 0 verschieden ist, spricht man von einem elektrischen Wirbelfeld E. In einem Potenzialfeld ist die Ringspannung wegen der Wegunabhängigkeit 0.

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3. Ringspannung bei der Induktion

Abb. 3:

Orientierungen, die im Induktionsgesetz verwendet werden

Die Richtungen des Linienelements ds und des Flächenelements df ergeben sich aus folgender Regel:

Wenn der Daumen der rechten Faust in Richtung des Flächenelements df zeigt, dann zeigen die Fingerspitzen die Orientierung des Linienelements ds an.

Geschlossener Stromkreis, zunehmendes Magnetfeld mit Orientierung nach Zeichnung: Mit der Lenz'schen Regel überlegt man sich die Richtung des Stroms (hier des Stromdichtevektors j). Der Strom j muss so orientiert sein, dass das von ihm erzeugte Magnetfeld B' den Zuwachs von B zu verhindern versucht. Wegen des Ohm'schen Gesetzes j = σ · E ist der Vektor des durch die Induktion entstandenen elektrischen Feldes E gleichgerichtet zu j; σ = sigma = Leitfähigkeit.

Der Wikipedia-Artikel "Elektromagnetische Induktion"  führt eine "Integralform I" des Induktionsgesetzes an. Sie lautet:     ∫0 (E·ds) = - ∫ ∂B/∂t · df  (∂ partielle Ableitung) für irgendeine Kurve C, die eine Fläche A einschließt, welche vom Magnetfeld B durchsetzt wird. df und ds sind nach der Rechten-Faust-Regel orientiert, d.h., wenn der rechte Daumen in Richtung eines Flächenelements df zeigt, zeigen die Fingerspitzen die Richtung der Linienelemente ds an.

Für den Fall, dass keine Bewegung  der Kurve C im B-Feld stattfindet (d.h. keine Bewegung in einem BZS, in dem das Magnetfeld B gemessen wird), können wir jetzt die Ringspannung leicht berechnen: Durch die äußere Kraft muss bei der Verschiebung längs der Kurve C nur Arbeit gegen das elektrische Feld verrichtet werden. Es gilt dann:

URing = ∫0 (E·ds) = - ∫ ( ∂B/∂t · df  )    (partielle Ableitung ∂B/∂t  )

In diesem Fall ist die Ringspannung URing gleich der negativen Zeitableitung des magnetischen Flusses  Φ = ∫ ( B · df  ), der die Kurve C durchsetzt

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4. Wie kann die Ringspannung gemessen werden?

a) In einem geschlossenen Stromkreis mit einem Gesamtwiderstand R  > 0 ist die Folge der Ringspannung ein Stromfluss in Richtung von E  (für die Stromdichte j gilt häufig nach dem Ohm'schen Gesetz j = σ ·E) längs der Kurve C, wenn C also mit einem Leiterring belegt ist. Es gilt also

URing = ∫0 (E·ds) = ∫0 (j·ds) / σ = - I·R       (zumindest bei einem homogenen Leiter überall gleichen Querschnitts und gleicher Leitfähigkeit σ ist das evident; Minuszeichen, da j und ds entgegengesetzt)

         Die Ringspannung wird also gemessen durch die (Ring-)Stromstärke im geschlossenen Stromkreis längs der mit dem Leiter belegten Kurve C.             (Messmöglichkeit a

Dann gilt also - I·R = - ∫ ( ∂B/∂t · df  ) = - dΦ/dt

Ein wachsender magnetischer Fluss Φ führt dann gemäß Abb. 3  zu einem positiven Strom I, d.h. zu einem Strom entgegengesetzt zu ds (entgegengesetzte Richtungen schon in - I·R berücksichtigt).

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b) Jetzt sei der Leiterring unterbrochen mit einer schmalen Lücke mit den Klemmen 1 und 2. Das elektrische Feld E verschiebt nun mit der Kraft F = q·E Ladungen q parallel oder antiparallel zu E.

Abb. 4:

Die negativen (Leitungs-)Elektronen werden antiparallel zu E verschoben und stauen sich an der Lücke. Dadurch entsteht ein zusätzliches elektrisches Feld ES, das auf die Elektronen ebenfalls eine Kraft ausübt. Wenn ein stationärer Zustand erreicht ist, gilt Kräftegleichgewicht und damit E = - ES im Leiter. Dann ist das Innere des Leiters feld- und kräftefrei; zur Verschiebung einer Probeladung im Leiterinneren muss keine Arbeit aufgewendet werden. ES ist, da von Ladungen erzeugt, ein Potenzialfeld. Außerhalb des Leiters, in der Lücke, sind aber E und Es  gleich gerichtet.

Das Induktionsgesetz gilt unter den oben genannten Voraussetzungen sowohl für das Feld E allein, als auch für das Gesamtfeld, das im Leiterinneren verschwindet, weil das Potenzialfeld ES keinen Beitrag zum Ringintegral leisten kann.

Für die Ringspannung gilt: URing = ∫0 (E·ds) = ∫0 (E·ds) + ∫0 (ES·ds);     weil ES ein Potenzialfeld ist, können wir den zweiten verschwindenden Term ergänzen ( ∫0 : Ringintegral über einen geschlossenen Weg). Wir wollen die Ringintegrale aufspalten und neu ordnen, wobei wir uns an die durch ds vorgegebene Umlaufsrichtung halten:

URing = ∫ von 2 bis 1 (E·ds) + ∫ von 2 bis 1 (ES·ds) + ∫ von 1 bis 2 (E·ds) + ∫ von 1 bis 2 (E'S.ds) =

             ∫ von 1 bis 2 (E·ds) + ∫ von 1 bis 2 (ES·ds) + ∫ von 2 bis 1 ((E+ ES)·ds)

Der dritte Term verschwindet im Leiter. Der erste Term kann vernachlässigt werden, wenn die Lücke schmal ist. Schmale Lücke hat aber großes E'S in der Lücke zur Folge. Deswegen gilt in guter Näherung für eine schmale Lücke:

URing = ∫ von 1 bis 2 (ES·ds).

Das ist aber gerade die gewöhnliche Spannung U12 = - U21 zwischen beiden Klemmen infolge des sekundär entstandenen Potenzialfelds ES.

Also:

URing = U12

Als zweite Möglichkeit für die Messung der Ringspannung steht uns also die Überführung in eine gewöhnliche Spannung im unterbrochenen Stromkreis zur Verfügung, wenn die Klemmen durch eine schmale Lücke getrennt sind.         (Messmöglichkeit b)

Es gibt Situationen, wo man auf die Einschränkung "schmale Lücke" verzichten kann.

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5. Ringspannung und Spannung bei der Induktion

Dann haben wir also für diesen Fall der Induktion:  (URing =   - ∫ ( ∂B/∂t · df  ) = - dΦ/dt )

U12 = - dΦ/dt

In dieser Form wird das Induktionsgesetz in der Regel in der Schule gelehrt.

( Hätte man für die Definition der Ringspannung den umgekehrte Durchlaufssinn gewählt, hätte man gefunden:

URing = ∫ von 1 bis 2 (E·ds) + ∫ von 1 bis 2 (ES·ds) + ∫ von 2 bis 1 (E·ds) + ∫ von 2 bis 1 (E'S·ds) =

           = ∫ von 2 bis 1 (E·ds) + ∫ von 2 bis 1 (ES·ds) + ∫ von 1 bis 2 ((E + ES)·ds)

           = ∫ von 2 bis 1 (ES·ds)

URing = U21 = - U12 = - dΦ/dt, also umgekehrtes Vorzeichen. )

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6. Spannung und Ringspannung bei der Induktion im zeitlich konstanten Magnetfeld

Wenn jetzt aber das Magnetfeld zeitlich konstant ist, dann würde das Induktionsgesetz in der angegebenen Form (Integralform I nach Wikipedia) sagen, dass E im betrachteten Bezugssystem kein Wirbelfeld ist, weil das Ringintegral über E verschwindet. Gibt es in diesem Fall also keine Ringspannung? Aber wir wissen doch, dass Induktion entstehen könnte, wenn sich Teile der geschlossenen Leiterschleife im (homogenen oder inhomogenen) Magnetfeld bewegen. Auch ein Beobachter, der sich längs der geschlossenen Leiterschleife bewegt, würde in seinem jeweiligen Bezugssystem ein elektrisches Wirbelfeld und damit eine von 0 verschiedene Ringspannung feststellen. Häufig wird in einem solchen Fall die Lorentz-Kraft  q v x B  von außen ins Spiel gebracht. Sie ist in der Integralform I nicht enthalten. Der Wikipedia-Artikel macht das, indem er das Ohm'sche Gesetz bemüht (Induktion eine Folge des Ohm'schen Gesetzes?).

Überlegen wir uns das vom Anfang an noch einmal :

URing = W/q = ∫0 (F·ds) / q , wobei F die Feldkraft ist, gegen die die äußere Kraft  bei der Verschiebung auf einer geschlossenen Kurve C Arbeit verrichten muss. Ein rein elektrischer Anteil könnte nach Integralform I nichts zum Ringintegral ∫0 beitragen, höchstens ein Anteil durch die Lorentz-Kraft, dort, wo die Lorentz-Kraft von 0 verschieden ist. Dann haben wir:

URing = ∫0 (F·ds) / q = ∫0 (( v x B  ) · ds)

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Untersuchen wir das in einem Beispiel:

Auf den Schenkeln eines U-förmigen Leiters gleitet eine Leiterbrücke mit gutem Kontakt. Senkrecht zur so aufgespannten Rechtecksfläche wirke ein Magnetfeld B. Der Widerstand des geschlossenen rechteckigen Leiterkreises sei größer als 0. Beim Gleiten ändert sich der eingeschlossene magnetische Fluss. Wir erwarten also Induktion, einen Ringstrom I, und, angetrieben durch die Lorentzkraft, eine Ringspannung.

Die Orientierung seien entsprechend der Zeichnungen (Abb. 5, 6).

Abb. 5:

Geschlossener Leiterkreis:

Weil  v x B überall verschwindet, außer in der bewegten Leiterbrücke, reduziert sich die Ringspannung hier auf ein gewöhnliches Integral:

URing = ∫ von 2 nach 1 (v x B · ds)

v x B ist längs des I-Pfeils (in der Zeichnung nach unten) gerichtet, also entgegengesetzt zu ds. Es ergibt sich also

URing = - B·v·L,

wenn L die Länge der Leiterbrücke ist.

Das negative Vorzeichen besagt: Das elektromagnetische Feld verrichtet negative Arbeit um eine positive Ladung in Richtung  v x B zu verschieben (also einen Strom I zu erzeugen), benötigt also Energiezufuhr von außen für diesen Induktionsvorgang. Es lässt sich begründen, dass dazu eine äußere Kraft Fext in Richtung v ausgeübt werden muss.

Mit der Flussregel geht es auch: Bei dieser Orientierung von B, df und v nimmt der eingeschlossene magnetische Fluss im Laufe der Zeit zu um B·v·L. Die Ringspannung ist also URing = - dΦ/dt = - B·v·L


Abb. 6:

Unterbrochener Leiterkreis:

Die Berechnung  der Ringspannung erfolgt identisch. Ein anderer Weg geht so:

Durch die Verschiebung der Leitungselektronen bildet sich wieder ein sekundäres statisches Feld ES aus. v x B ist nur in der Leiterbrücke von 0 verschieden. Es stellt sich ein stationärer Zustand ein, wenn auf die Leitungselektronen in der Leiterbrücke Kräftegleichgewicht (KGG) herrscht. Dann gilt also dort  ES = - v x B (in der Leiterbrücke von 2 nach 1 gerichtet). Da ES in der Leiterbrücke konstant ist, gilt die Kondensatorformel: U12 = ES·L = - B·v·L . Das Minuszeichen kommt hier herein, weil die Spannung vom negativen zum positiven Pol gemessen wird.

Da es keine Spannungsabfälle gibt, ist auch die Spannung zwischen den Klemmen (2 gegenüber 1) von gleicher Größe, und zwar in dieser Situation negativ.

Für die Verschiebung einer zusätzlichen positiven Probeladung vom negativen  (1) zum positiven Ende (2) der Leiterbrücke - entgegengesetzt gerichtet zu - v x B - muss das elektromagnetische Feld negative Arbeit verrichten, d.h. es benötigt Arbeit von außen.

Die Ringspannung im geschlossenen Leiterkreis und die elementare Überlegung im offenen Leiterkreis führen zum gleichen Ergebnis.

Obwohl das elektrische Feld E im Laborsystem (in dem der U-förmige Leiter ruht) auf die bewegte Leiterbrücke beschränkt ist, gibt es hier einen Ringstrom I und eine nicht verschwindende Ringspannung. Deswegen heißt dieser Vorgang mit Recht ebenfalls Induktion. (Abgesehen von einigen Komplikationen) liegt im System der Leiterbrücke aber das elektrische Feld E' = v x B (in nichtrelativistischer Näherung für v << Lichtgeschwindigkeit c) vor. Es ist ein elektrisches Wirbelfeld (weil rot' E' ≠ 0) und führt ebenfalls zur nicht verschwindenden Ringspannung, also: gleiches Ergebnis in beiden Bezugssystemen.

Nirgendwo kommt hier eine Leitfähigkeit ins Spiel (natürlich sollten die Leiter nicht aus einem Isolatormaterial bestehen). Nur, wenn man die Ringspannung durch die Stromstärke I messen will, braucht man das Ohm'sche Gesetz ( /URing/ = /I·R/).

(Wenn der Widerstand R verschwindet, z.B. bei Supraleitern, wird im geschlossenen Leiterkreis nach der Lenz'schen Regel eine Flussänderung vollständig unterdrückt (idealer Diamagnetismus). Zur Berechnung der Stromstärke müssen dann statt des Ohm'schen Gesetzes die London-Gleichungen herangezogen werden. Vgl. Industrom.html. Die Folge ist z.B., dass in einem geschlossenen Leiterring die Stromstärke proportional zum magnetischen Fluss ist und nicht zu seiner Zeitableitung wie bei R > 0, also nach dem gewöhnlichen Induktionsgesetz!)

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7. Ringspannung bei der Induktion im allgemeinen Fall, also, wenn eine Bewegung der Leiterschleife im inhomogenen und zeitlich veränderlichen Magnetfeld erfolgt:

Das Feld übt eine Kraft F = q · ( E + v x B ) auf eine positive Probeladung q aus. Dementsprechend entsteht von beiden Anteilen her ein nicht verschwindender Beitrag zur Ringspannung:

URing = ∫0 (( E + v x B )· ds) = - dΦ/dt

Beide Anteile sind in der Integralform II des Wikipedia-Artikels von vornherein vorhanden, ohne dass man die Lorentz-Kraft explizit noch einmal berücksichtigen muss. Es kam dort implizit durch die Maxwell-Gleichung div B = 0 herein.

Im Bezugssystem der bewegten Leiterbrücke ist E + v x B in nichtrelativistischer Näherung gerade das dort herrschende elektrische Feld E'. Dann gilt also

URing = ∫0 (E'· ds) = - dΦ/dt

und aus der Sicht des mitbewegten Beobachters liegt bei einer Änderung des magnetischen Flusses ein elektrisches Wirbelfeld E' vor.

( Für praktische Rechnungen kommt es häufig auf die Spannungsvorzeichen nicht an, auch, weil sie von Konventionen abhängig sind. Deswegen sollte man auf sie nicht allzuviel Energie aufwenden. Hätte man Konvention (1) für die Spannungsdefinition verwendet, hätte gegolten:

 - URing = ∫0 (( E + v x B ) · ds) = - dΦ/dt  ,     URing =  U12 =  dΦ/dt  und URing = I · R  . Das hätte einige weitere Vorzeichenänderungen zur Folge gehabt. )

Hinweis: Bei der Interpretation der Lorentz-Kraft F = q ( E + v x B ) muss man Vorsicht walten lassen. Man könnte sagen, dass sie bei der Induktion selbst dann in dieser Weise auf Ladungen wirkt, wenn am Ort der Ladungen das Magnetfeld völlig abgeschirmt oder auf eine andere Weise zu 0 gemacht wurde. Letzten Endes ist Induktion eine Sache der Felder und nichtlokal. Vgl.: Was ist elektromagnetische Induktion ?

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8. Ringspannung und Spannung bei einem Gleichstromkreis mit einer Batterie

Inwiefern bei einem geschlossenen Stromkreis mit einer Batterie ein Potenzialfeld vorliegt, wird in Standard-Lehrbüchern diskutiert. Dort wird auch gezeigt, dass ein reines Potenzialfeld nicht die Energie für einen stationären Strom herbeischaffen kann. Die Überlegung ist eher grundsätzlicher Art. Vgl. auch emk.html

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9. Hier irrt der Wikipedia-Artikel

Es werden hier nur die wichtigsten Einwände formuliert (über weitere habe ich mich schon früher geäußert):

1. Die differentielle Form und die Integralform I des Induktionsgesetzes in der Formulierung des Wikipedia-Artikels sind m.E. nicht äquivalent zur Integralform II . Wenn das Magnetfeld nicht zeitabhängig ist, enthalten die differentielle Form und die Integralform I m.E. nicht die Induktion. Es ist deshalb auch am elektrischen Feld E allein nicht erkennbar, dass Induktion und eine von 0 verschiedene Ringspannung vorliegt. Der Wikipedia-Artikel mogelt die Induktion nur nachträglich mit Hilfe des Ohm'schen Gesetzes (bzw. der Lorentz-Kraft) für einen unterbrochenen Leiter hinein, während in der Integralform II des Induktionsgesetzes alle Varianten automatisch enthalten sind.

2. Es ist nicht erkennbar, wie der Wikipedia-Autor im Fall eines zeitunabhängigen Magnetfelds bei einem geschlossenen Leiterkreis eine Induktionsspannung (und damit einen Ringstrom) begründen möchte. Mit der in diesem Artikel gezeigten Ringspannung ist das kein Problem.

3. Der Wikipedia-Artikel beruft sich immer wieder auf die Gültigkeit des Ohm'schen Gesetzes. Er könnte im unterbrochenen Stromkreis - dort setzt er es ein - bei gleichem Ergebnis auch mit dem Kräftegleichgewicht infolge der Lorentz-Kraft argumentieren. Das wäre m.E. physikalisch klarer. Vor allem aber wäre Induktion nicht an die Anwendbarkeit des Ohm'schen Gesetzes gebunden. Es wäre ja wohl etwas merkwürdig, wenn das allgemeine Induktionsgesetz von einer speziellen materialabhängigen Gleichung wie dem Ohm'schen Gesetz abhinge.

4. Der Wikipedia-Artikel geht manchmal von der Behauptung aus, dass in einem idealen Leiter kein elektrisches Feld möglich sei. Für den Gleichgewichtsfall, im unterbrochenen Stromkreis bzw. in der Elektrostatik gilt das sicher, dann sogar unabhängig von der Leitfähigkeit. Aber bei der Induktion im geschlossenen Stromkreis liegt gerade die Situation vor, dass das ringförmige elektrische Feld im Leiter den Strom antreibt (auch bei der Leitfähigkeit σ = 0 ; siehe hier), dass sich also der Gleichgewichtsfall nicht einstellt, solange Induktion stattfindet. Der Wikipedia-Artikel zieht daraus falsche (teilweise sogar widersprüchliche) Schlüsse bzgl. der Induktion in einem geschlossenen idealen Leiter und bzgl. des Hering'schen Paradoxons. Die dortigen Ausführungen stellen so nur einen Teil der Wahrheit dar.

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10. Hinweise zur Definition einer Ringspannung

Backhaus und Braun (Physik und Didaktik in Schule und Hochschule, PhyDid 1/5 (2006) S. 45 - 53) diskutieren verschiedene experimentelle Folgen der Ringspannung. Sie schlagen auch vor, unter Spannung so etwas Ähnliches wie die Ringspannung zu verstehen, die in der theoretischen Physik üblich ist.

Darüberhinaus wird in diesem Artikel gezeigt, dass es Sinn macht, in Sonderfällen und bestimmten Bezugssystemen auch nichtelektrische Arbeit in die Definition der Ringspannung einzubeziehen, eine Arbeit, die in anderen BZS vielleicht wirklich eine elektrische Arbeit ist (wie beim bewegten Leiterstab im Magnetfeld).

Das dürfte für manchen Leser neu sein. Gerechtfertigt wird dies durch die so erreichte Konsistenz zwischen den Aussagen verschiedener BZSe und die experimentelle Tatsache, dass bei der Induktion auch in BZSen ohne geschlossene elektrische Feldlinien ein Ringstrom fließt, der nicht die Folge eines reinen Potenzialfelds sein kann.